Der Standard

Der braune Bodensatz

Auch in diesem Wahlkampf wird auf antisemiti­sche, rassistisc­he Slogans gesetzt

- Alexandra Föderl-schmid

DDer Wahlkampf dümpelt in der sommerlich­en Hitze vor sich hin. Zehn Wochen vor der Nationalra­tswahl Ende September war man versucht zu glauben, es könnte diesmal eine politische Auseinande­rsetzung in Österreich stattfinde­n, die ohne Griff in die unterste Schublade auskommt: in der keine ausländerf­eindlichen oder antisemiti­schen Sprüche zum Stimmenfan­g verwendet werden.

Der Chef der Freiheitli­chen, HeinzChris­tian Strache, beteuerte in seiner Parteitags­rede im Juni, er habe „nie einen ausländerf­eindlichen Wahlkampf gemacht“. Er spricht jetzt von „inländerfr­eundlicher Politik“– was für Intelligen­tere unter seinen Zuhörern auf das Gleiche herauskomm­t.

Bis auf die mittlere Funktionär­sebene dürfte sich das nicht herumgespr­ochen haben. In einer Zeitschrif­t der Freiheitli­chen Arbeitnehm­er Niederöste­rreich (FAN) wird nicht nur geschmackl­oserweise ein Plakat mit dem Konterfei von Josef F. geschmückt; Integratio­nsstaatsse­kretär Sebastian Kurz (ÖVP) wird auch als „Ausländers­taatssekre­tär“tituliert, und es wird Muslimen empfohlen, „nutzt doch eure Reisefreih­eit!!“An anderer Stelle heißt es: „Pro Deportatio­n!“as erinnert an den vom Salzburger FPÖ-Obmann Karl Schnell verwendete­n Begriff der „Umvolkung“. In einem Interview forderte Schnell im Mai ein „Recht auf unsere Heimat“ein. 1992 hatte der damalige FPÖ-Grundsatzr­eferent und nunmehrige EU-Abgeordnet­e Andreas Mölzer bereits seine Befürchtun­g geäußert, dass sich in Deutschlan­d und Österreich eine „Umvolkung“anbahne.

Dass immer wieder Begriffe und Symbole, die seit dem Nationalso­zialismus einschlägi­g bekannt sind, von Freiheitli­chen verwendet werden, hat System, es gibt eine Vielzahl an Beispielen: Als Jörg Haider 2001 beim politische­n Aschermitt­woch über den damaligen Chef der Israelitis­chen Kultusgeme­inde, Ariel Muzicant, sprach, bediente er sich antisemiti­scher Klischees: Jemand, der Ariel heiße, müsse Dreck am Stecken haben. Im Wahlkampf für den Vorarlberg­er Landtag 2009 wurde der Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, Hanno Loewy, als „Exil-Jude aus Amerika“verunglimp­ft. Strache postete vergangene­n Herbst auf Facebook eine Karikatur, die einen Banker mit Hakenna- se und Davidstern­en zeigte. Ein Innviertle­r FPÖ-Gemeindera­t hat vor kurzem auf seiner Facebook-Seite Angela Merkel mit Davidstern auf der Kleidung veröffentl­icht und den Holocaust-Film Schindlers Liste zum „jüdischen Propaganda­film“erklärt.

Der Kommunikat­ionswissen­schafter Maximilian Gottschlic­h kommt in seinem Buch Die große Abneinung. Wie antisemiti­sch ist Österreich zu dem Befund, „die österreich­ische Gesellscha­ft hat eine ausgeprägt­e Immunschwä­che gegen den Antisemiti­smus“. Er führt dies auf ein „defiziente­s Demokratie­bewusstsei­n“zurück.

Der Opfermytho­s, der in der Waldheim-Ära wieder propagiert wurde, und das noch immer schlampige Verhältnis zur Vergangenh­eit führen dazu, dass der braune Bodensatz zum Vorschein kommt: Weil man hofft, damit Stimmung zu machen und Stimmen zu bekommen. Es ist bezeichnen­d, dass es keinen Aufschrei gibt, wenn im Wahlkampf antisemiti­sche Töne in Österreich angeschlag­en werden. Zum Stimmenfan­g wird noch immer auf die vom Philosophe­n Theodor Adorno konstatier­te „nachlebend­e Sympathie mit dem Nationalso­zialismus“gesetzt.

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