Chtküste
spanischen Roma, spiegeln. Und fast immer geht’s um verflossene Lieben. In Huelva wird allerdings recht häufig auch das harte Leben der Minenarbeiter besungen, die in den Kupfer- und Eisengruben am Rio Tinto für Hungerlöhne ihre Gesundheit ruinierten. Durch diese Metalle bekam der Fluss die Färbung und seinen Namen – in den lokalen Flamencotexten wird trotzdem ein poetischeres Bild bevorzugt: Es ist das Blut der Arbeiter, das den Fluss erröten lässt.
Leidenschaft auf Zuruf
Ein Schulterklopfen unterbricht das Gespräch mit dem „Erzengel“abrupt, holt die Aufmerksamkeit vom Bergwerk zurück zum Fünf-Gang-Menü. Ein älterer Herr, der Ramos freilich längst erkannt hat, fragt höflich, ob der Musiker nicht so nett sein will, etwas von seiner Kunst darzubieten. Doch Flamenco auf Zuruf beim Dinner, kann das funktionieren?
Ramos klagt deshalb ein wenig über die Pflichten, die er als Berufsengel und -musiker gegenüber seinem Publikum überall und jederzeit zu erfüllen habe. Dabei nicht die Leidenschaft – der Schlüssel zu dieser Musik und das Leitmotiv, das auch ihn zum Flamenco brachte – zu verlieren sei überaus schwer. „Wenn du aber die Leidenschaft verlierst, bist du gleich ganz verloren“, sagt er und vertröstet den freundlichen älteren Herrn auf später, wenn weniger Gäste im Lokal sein werden.
Der kluge Kellner im Acánthum serviert jedenfalls schon jetzt eine Runde Schnaps für diesen Moment. Offensichtlich werden in Andalusien sogar Erzengel mit Alkohol entlohnt. Ramos’ Pflichtgefühl siegt schließlich rasch, noch vor der vollversammelten Gästeschar erhebt er seine sonore Stimme, mal tosend, fast schreiend, mal brüchig und leise, stets aber leidenschaftlich. Auch das rhythmische Knattern von Kastagnetten meint man nun hören zu können. Tatsächlich ist es nur das Stakkato der unzähligen Kameraklicks. Von Andalusiern, die sich das Abbild eines Erzengels erhoffen.