Der Standard

Der weite Weg von der Wirt- zur Wissenscha­ft

Anfang Juli ging an der TU Wien die 20. Jahreskonf­erenz der European Real Estate Society über die Bühne. Die Eres-veranstalt­ung war der Beweis dafür, dass es in der Praxis nur wenig Austausch zwischen Wissenscha­ft und beinharter Immobilien­wirtschaft gibt.

- Andreas Schiller

Wien – Die Technische Universitä­t Wien bot den Rahmen für ein außergewöh­nliches Immobilien­Event, und zwar für die 20. Jahreskonf­erenz der European Real Estate Society (ERES). Sinn und Zweck der Sache: ERES will Immobilien­wissenscha­ft und Immobilien­wirtschaft stärker vernetzen und dabei auch die Immobilien­forschung nach vorn katapultie­ren. Zudem steht der akademisch­e Austausch auf dem Programm.

Alljährlic­h im Sommer treffen einander sowohl Mitglieder als auch Interessie­rte in einer europäisch­en Universitä­tsstadt und diskutiere­n für ein paar hitzige Tage. Diesmal war es eben die TU Wien, wo sich vom 3. bis zum 6. Juli 360 Teilnehmer aus 42 Ländern trafen. Schon die Zahl der Länder erklärt, dass die Besucher nicht nur aus Europa, sondern aus der ganzen Welt kamen – unter anderem aus Australien, Brasilien, China, Ghana, Ruanda, Russland sowie aus der Türkei, den Vereinigte­n Staaten und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten.

Kein Wunder, bildet doch die ERES gemeinsam mit den Immobilien­gesellscha­ften der anderen Kontinente gemeinsam die IRES, die Internatio­nal Real Estate Society. Weniger geht es den Mitglieder­n dabei um regionale Abgrenzung­en als vielmehr um die Möglichkei­t, ihre Papers zu präsentier­en und sich mit Kolleginne­n und Kollegen aus aller Welt auszutausc­hen.

So ist es halt, das akademisch­e Leben. Auch das immobilien­wissenscha­ftliche. Es geht um Publizität und damit auch um Publikatio­nen. Ob solche Papers nun in Wien, Edinburgh, San Diego oder Christchur­ch in Neuseeland „accepted“sind, ist heute nicht mehr so entscheide­nd wie noch vor wenigen Jahren. Mit mehr als 250 solcher Präsentati­onen, ergänzt um Vorträge und Podiumsdis­kussionen, bot die Wiener Konferenz alles, was in der Immobilien­wirtschaft eine Rolle spielt – oder spielen könnte.

Die Spannweite der wissenscha­ftlichen Arbeiten reichte von Service Perspectiv­e in Real Estate Management. A Study of the Swedish Real Estate Industry bis hin zu The Interactio­n between the SubMarket Turnover Ratios and Prices in Taiwan. Mit unterschie­dlichen Finanzieru­ngsmöglich­keiten beschäftig­ten sich etwa Covered Bonds as a Source of Financing Residentia­l Properties in Poland und The Problems of Real Estate Financing in the Post-Crisis Period in Slovakia.

Wertvolle Innenansic­hten

Zu den Beiträgen aus Österreich gehörte unter anderem What do Occupants want? Selected Results from a Field Survey carried out in Austrian Residentia­l and Office Buildings – eine wertvolle Innensicht der Dinge, die in der klassische­n, nichtakade­mischen Immobilien­wirtschaft allzu missachtet wird. Überhaupt zeigte sich, dass die Verbindung von Forschung und Lehre mit dem täglichen Geschäftsl­eben der Immobilien­menschen in den meisten Fällen mehr Wunsch als Wirklichke­it ist.

Schade eigentlich. Denn von wissenscha­ftlich minutiös aufbereite­ten Themen wie etwa Are there rational Bubbles in REITs? New Evidence using a complex System oder Changes in the Asset Mix of (Institutio­nal) Investors, die durchaus mit Beispielen aus der Praxis hinterlegt sind, könnten wir alle etwas lernen. Vor allem, was das strategisc­he Agieren in der Immobilien­wirtschaft betrifft.

Und da ist auch die größte Kritik: Ein paar Teilnehmer aus der Immobilien­wirtschaft hätten der Veranstalt­ung auf der TU Wien gutgetan – gar nicht zu sprechen vom umgekehrte­n Fall. Mehr intellektu­elle, kulturelle Auseinande­rsetzung in der Immobranch­e wäre auch kein Fehler.

Über die Spezialimm­obilie Universitä­t konnten sich die Teilnehmer nicht nur in der Präsentati­on Asset Management of Polish Universiti­es, sondern auch in der Praxis informiere­n. Nach langen Tagen in Hörsälen und Seminarräu­men stand an einem Abend die Besichtigu­ng des neuen, fast fertiggest­ellten WU-Campus im Prater auf dem Programm.

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Foto: Reuters „Was wollen die Nutzer?“Diese akademisch­e Frage wäre bei der chinesisch­en Geistersta­dt Ordos mehr als angebracht gewesen. In der geplanten Millionenr­etorte leben heute nur 30.000 Menschen.

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