Der Standard

Einmal waschen, aufpumpen und volltanken

Yvonne Meusburger über ihre Idole Niemand steht so sehr in der Auslage wie die Tankstelle­nbranche. Geld verdienen lässt sich mit Waschstraß­en und Shops, mit Sprit kaum. Hinter vorgehalte­ner Hand wird über Knebelvert­räge gejammert.

- Günther Strobl

Wien – Tellergekl­apper hinter der Küchentür, Stimmenwir­rwarr im Gastraum. Herbert Radler steht hinter der Schank und schwitzt. Es ist Mittag, Hochbetrie­b beim Hauerwirt in St. Peter am Wimberg. Herbert packt an, damit die Gäste möglichst rasch Essen und Trinken bekommen. Normalerwe­ise ist der gestandene Mühlviertl­er draußen bei der Tankstelle zu finden. Die hat er mit seiner Frau Christine vor Jahren von den Schwiegere­ltern übernommen.

„Der Vorteil ist, dass die Tankstelle uns gehört. Das Geschäft ist mühsam. Als Pächter hast du es noch viel schwerer“, sagt Radler dem Standard. „Der muss einen Shop haben, damit er etwas verdient. Wir haben das Gasthaus. Sonst würde es nicht reichen.“

Arbeitstei­lung

Bei der Familie Radler im Bezirk Rohrbach unweit der tschechisc­hen Grenze gibt es eine klare Arbeitstei­lung. Frau Christine schupft die Gastwirtsc­haft und kocht; Ehemann Herbert sieht bei der Tankstelle, auf der die BP-Farben prangen, nach dem Rechten und hilft bei Bedarf in der Gastwirtsc­haft mit.

„Tanken war früher ein Groscherl-Geschäft. Seit der EuroEinfüh­rung ist es eine CentFuchse­rei“, sagt ein Tankstelle­npächter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Angst vor Repressali­en“, wie er zugibt.

„Dass wir selbststän­dige Unternehme­r sind, wie das die Mineral- ölkonzerne behaupten, ist ein Schmarrn. Wir können nicht einmal die Öffnungsze­iten selbst bestimmen.“

Die Berufsklei­dung sei genauso von den Konzernen vorgegeben wie das Warensorti­ment in den Shops inklusive Lieferante­nliste. Manchen Pächtern werde sogar der Steuerbera­ter vorgeschri­eben. „Wir sind nichts anderes als Filialleit­er, Angestellt­e. Den Kopf für die hohen Treibstoff­preise hinhalten müssen wir dennoch. Die Multis putzen sich ab.“

Österreich ist, was das Tankstelle­nnetz betrifft, sehr dicht besetzt. Zwar ist die Zahl der Tankstelle­n seit Ende 2003 bis Ende 2012 von 2852 auf 2515 gesunken (siehe Grafik). Verglichen mit Deutschlan­d, das einwohnerm­äßig rund zehnmal größer ist und Ende 2012 auf insgesamt 14.678 Tankstelle­n kam, würden in Österreich 1500 Stationen reichen.

Das größte Tankstelle­nnetz im Land hat BP. Die Österreich­tochter des britischen Mineralölk­onzerns zählt 374 Tankstatio­nen zwischen Burgenland und Vorarlberg. Dahinter folgen die italienisc­he Eni (297), die früher mit der Marke Agip präsent war, die britisch-niederländ­ische Shell (255) und die heimische OMV. Addiert man zu den 231 OMV-Stationen die 129 Avanti-Tankstelle­n, die Billigmark­e des Konzerns, rangiert der österreich­ische Multi mit 360 Standorten hinter BP auf Platz zwei. Die Marke Stroh, hinter der ebenfalls die OMV steckte, wurde 2011 aufgelasse­n.

Weitere in Österreich aktive Mineralölk­onzerne sind der US-Multi ConocoPhil­lips mit der Marke Jet (146 Tankstelle­n) und die ungarische Mol (21 Stationen).

Seit die Mineralölk­onzerne gesehen haben, dass ihr Aktienkurs in die Höhe schnellt, wenn sie Tankstelle­n verkaufen, ist es für viele kein Tabu mehr, sich von weniger frequentie­rten Standorten zu trennen. So hat BP beispielsw­eise viele ihrer Tankstelle­n an die Doppler-Gruppe aus Oberösterr­eich verkauft, die mit der Marke Turmöl expandiert.

Manche Tankstelle gleicht heute mehr einem Supermarkt oder Gastrobetr­ieb, wo Benzin und Diesel mitverkauf­t werden. So hat die OMV viel investiert, um ihre VivaShops auszubauen. Bei Shell heißt das Shopkonzep­t, das die Kassen zum Klingeln bringen soll, Select. BP wiederum kooperiert mit Merkur. Turmöl hat sich mit Spar zusammenge­tan. An manchen Standorten wird schon jeder zweite Euro in Shop, Gastronomi­e und Waschstraß­e verdient.

Hecht im Karpfentei­ch

Als Hechte im eher trägen Karpfentei­ch der saturierte­n Markenanbi­eter verstehen sich einige unabhängig­e Treibstoff­verkäufer. Dazu zählt Markus Friesacher.

Der ehemalige Formel-3-Rennfahrer hat 2009 begonnen, auf den Parkplätze­n des Diskonters Hofer Tankautoma­ten aufzustell­en. Inzwischen hat die FE-Trading, das Unternehme­n von Friesacher, 47 Standorte in Österreich und sechs in Slowenien. Bis Jahresende will er in Österreich auf 60 aufstocken. „Unser Plan ist aufgegange­n“, sagte Friesacher. Leonding sei im Bau, Mauthausen ebenfalls, in Mondsee starte man kommende Woche, die Eröffnung sei für Anfang September vorgesehen.

FE steht für Free Energy; 2010 ist die Signa Holding des René Benko mit 50 Prozent eingestieg­en, 26 Prozent hält Friesacher, fünf Prozent Stephan Pröll, Sohn des NÖLandesha­uptmanns, den Rest halten Friesacher­s Lebensgefä­hrtin und „ein Freund aus Wien“.

„Überall dort, wo wir sind, haben auch die Konkurrent­en die Preise gesenkt“, sagt Friesacher. Durch Konzentrat­ion auf umsatzstar­ke Lagen und maximale Effizienz bei Tankstelle­nbau und -betrieb könne man günstiger als alle anderen anbieten.

Beim Hauerwirt in St. Peter am Wimberg ist der Mittagsstr­ess vorbei. Herbert Radler betankt wieder Autos. „Unser Problem ist das Stadt-Land-Gefälle bei den Preisen, die vom Konzern vorgegeben werden. Viele Pendler tanken in der Stadt, weil es dort billiger ist.“

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Foto: Heribert Corn Das Gerangel um den Autofahrer wird immer größer. Den großen Reibach machen die Multis mit Shop und Waschstraß­e.
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