„Ein Fiasko ist besser als Langeweile“
Zum 200. Geburtstag von Komponist Giuseppe Verdi
Wien – „Es sind viele Juwelen in seinen unbekannteren Werken versteckt“, so Dirigentin Simone Young, die an der Hamburgischen Staatsoper Giuseppe Verdis Frühwerke (La Battaglia di Legnano, I due Foscari, I Lombardi) vorbereiten lässt. Dass sich solch Reifevorspiele nach diesem Verdi-Jahr im Repertoire etablieren, ist jedoch unwahrscheinlich. Verdi hat einen Konkurrenten – sich selbst.
Sein verzweifelter Rigoletto, dessen Mordauftrag die eigene Tochter zum Opfer fällt. Seine verglühende Traviata, deren Sterben in lyrische Streicherfarben getaucht wird. Der rasende Otello oder der in politischer Familienfehde verstrickte Don Carlo. Schließlich der trotz seiner Leibesfülle in durchkomponierter Leichtigkeit herumschwebende Falstaff: All diese Geschöpfe einer seelentief blickenden Meisterschaft, zu denen auch Maskenball, Macbeth, Aida und Nabucco zählen, besetzten die teuersten Plätze des Opernbewusstseins. Nebeneffekt: Irgendwie ist immer Verdi-Jahr.
Auch von der CD-Branche sind keine Entdeckungsimpulse zu erwarten. Anna Netrebko hat eine CD mit dem Titel Verdi herausgebracht; jene von Placido Domingo heißt auch Verdi. Und Jonas Kaufmann hat The Verdi Album herausgebracht. Es sind dies HäppchenCDs, Potpourri-Aufnahmen – mitunter wie bei Netrebko zwar mit Raritäten gespickt, allerdings nur flüchtige Blicke auf ein imposantes OEuvre. Gerade einmal um Bariton Thomas Hampson herum erschien eine Gesamtaufnahme von Simon Boccanegra.
Verdi-Verunglimpfungen sind diese Portionierung kaum. Natürlich muss man etwa Falstaff inte- gral erleben, um zu erahnen, wie ein Virtuose mit lockerer Hand Charaktere musikalisch ausleuchtet. Verdi jedoch wirkt flexibel. Er ist gassenhauertauglich wie auch ein emotionale Tiefen auslotender Komponist. Er ist Wunschkonzertlieferant ebenso wie Psychologe, der die Verbindung von Wort und Ton in den Dienst des Menschendramas stellt, das er von der Nummernoper befreit hat. Vergegenwärtigt man sich Verdis Biografie, wird evident, dass die Leichtigkeit mitunter Frust und Erschöpfung abgetrotzt wurde. Innerhalb von acht Jahren (ab 1842, nach dem Nabucco- Erfolg) schrieb er zwölf Opern. Später gab es indes jahrelange Schreibpausen, mittlerweile auf dem Landgut in Sant’Agata mit bäuerlich-unternehmerischer Tätigkeit belebt. Zwischendurch zählte Verdi (am 9. oder 10. 10. in Le Roncole geboren), der bereits sehr jung als Organist in Busseto arbeiten musste, auch schon zum alten Eisen oder war dem Vorwurf zu großer Wagner-Nähe ausgesetzt. Kritiker nannte er dann schon einmal „blöd“und tröstete sich über Flops mit Sätzen wie „ein Fiasko ist besser als Langeweile“hinweg.
Es gab auch Statements wie jenes von Otto Nicolai, dem Gründer der Wiener Philharmoniker, die längst zu den besten VerdiInterpreten zählen: „Seine Opern sind wahrhaft scheußlich. Er instrumentiert wie ein Narr, muss ein Herz wie ein Esel haben und ist ein erbärmlicher, verachtenswerter Kompositeur.“Die Zeit „wird richten“hat Verdi gesagt. Und sie hat gerichtet. Wiener Staatsoper, 10. 10.: Verdigala, 12. 10.: „Aida“, 13. 10.: „Don Carlo“; Volksoper, 16. 11.: „Il Trovatore“; Klagenfurter Stadttheater, 31. 10.: „Macbeth“