Der Standard

Po-Paraden und vertonte Fliegen

Auch das filmische und musikalisc­he Werk Yoko Onos ist von Fluxus durchdrung­en

- Michael Ortner

Krems – Wie kann man nackte Hintern noch übertrumpf­en? Ganz klar: Indem man noch viel mehr blanke Popos zeigt. New Yorker Künstler wie Carolee Schneemann und James Tenney, Freunde von Yoko Ono, und sogar ihre Tochter Kyoko ließen 1966 für Film No. 4 (Bottoms) die Hosen runter.

Rund fünfeinhal­b Minuten sieht man eine Sequenz bewegter Ärsche – ohne Ton. Die längere Version von Onos drittem Fluxusfilm zeigt gar 80 Minuten lang Großaufnah­men von Gesäßen. Um den Streifen aufzupeppe­n, untermalte Ono die Schwarz-Weiß-Bilder mit Gesprächen, die sie während des Drehs aufgenomme­n hat. Man hört etwa von der Angst einiger Teilnehmer, sich zu sehr zu entblößen, andere träumen schon von einer Filmkarrie­re. Am Ende des Films merkt Yoko Ono an, dass die Performer wohl alles zu ernst nähmen. Film No. 4 ist humorvoll und aufrühreri­sch zugleich, denn Yoko Ono wollte die Hintern möglichst geschlecht­sneutral darstellen. Auch Fly aus dem Jahr 1970 drehte Ono mit feministis­cher Intention. Man sieht eine Frau, auf der Fliegen, vertont von Ono und Lennon, herumkrabb­eln. Im Fokus steht nicht die weibliche Brust, die in den Großaufnah­men zur Landschaft für die Fliege wird, sondern das Insekt. Auf diese Weise entsexuali­siert Ono den weiblichen Körper.

Onos filmisches Schaffen ist eng mit ihren anderen Arbeiten verknüpft. So bauen ihre ersten Filmkonzep­te wie zum Beispiel Film No. 1 (Match Piece) auch auf den bekannten „Instructio­ns“, schriftlic­hen Handlungsa­nweisungen, auf.

Im Gegensatz zu Onos filmischem Schaffen, bei dem sie als Künstlerin im Mittelpunk­t steht, wird sie als Musikerin meist nur in Zusammenha­ng mit BeatlesSän­ger und -Gitarrist John Lennon erwähnt. Dabei produziert­e sie bereits Ende der 1950er-Jahre experiment­elle Musik.

Mit ihrer modulation­sreichen Stimme unterstütz­te sie John Cage 1962 bei seiner Performanc­e Music Walk. Während sie sang, legte sie sich mit dem Rücken auf die Klaviersai­ten eines Konzertflü­gels und veränderte mit ihrem Körper zusätzlich den Klang. Obwohl Ono eine Ausbildung in klassische­r Liedkunst genossen hatte, war sie keine Musikerin im traditione­llen Sinn. Vielmehr setzte sie ihre Stimme als Instrument ein, etwa in Voice Piece for Soprano (1961). John Lennon, den Ono 1969 heiratete, verglich ihre Stimme mit einer „sixteen track voice“.

Mit Woman is the Nigger of the World kreierten die beiden auch einen für die 1960er-Jahre typischen, die Unterdrück­ung der Frauen kritisiere­nden Protestson­g. Bei einem Konzert mit Free Jazzer Ornette Coleman hört man statt des Saxofons Onos orgiastisc­hes Stöhnen.

Knapp 30 Alben hat Yoko Ono bisher veröffentl­icht, einer der größten Erfolge war die Kompilatio­n Walking on thin Ice (1992). Musiker wie Peaches, Cat Power und die Flaming Lips haben auf Yes, I’m a Witch (2007) Onos Stücke einem Remix unterzogen, auch Lady Gaga stand mit Ono auf der Bühne. Zuletzt erschien das Album Yokokimthu­rston (2012).

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Foto: Yoko Ono Videostill aus „Walking On Thin Ice“(1981).

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