Der Standard

Orbáns eiserner Griff bleibt Ungarn erhalten

Um die Zweidritte­lmehrheit muss Orbáns Fidesz-Partei noch zittern. Aber auch ohne sie kann der bisherige Kurs fortgesetz­t werden, da die Opposition­sgewinne im verkleiner­ten Parlament nicht bemerkbar sein werden.

- Gregor Mayer aus Budapest

Der Wahlsieg des Populisten Viktor Orbán stand am Sonntag nie infrage. Das vorläufige Endergebni­s, das am frühen Montagmorg­en vorlag, bestätigte dies (siehe Grafik). Auf der Wahlparty seines Fidesz sprach Orbán von einem „großartige­n Sieg, dessen Bedeutung wir heute noch gar nicht ermessen können“. Das Aktivisten-Volk jubelte, die Stimmung im kürzlich eingeweiht­en, schick-modernen Kultur- und Galerienze­ntrum CET am Pester Donauufer war hervorrage­nd. Was man allerdings dort nicht ermessen wollte: Gegenüber 2010 hat Fidesz rund 600.000 Stimmen, das heißt fast ein Viertel seiner Wähler, verloren.

Das Mitte-links-Bündnis der „Regierungs­wechsler“, angeführt von der Sozialisti­schen Partei (MSZP), sowie die rechtsextr­eme Jobbik (Die Besseren) gewannen hingegen jeweils hinzu. In der Zusammense­tzung des nunmehr verkleiner­ten Parlaments kommt das nicht zum Ausdruck. Dass Orbán bei diesem Ergebnis überhaupt an die Schwelle der erneuten Zweidritte­lmehrheit kam, bewirkte das neue Wahlgesetz, das der Regierungs­chef noch mit der alten Zweidritte­lmehrheit durchs Parlament peitschte und das auf die Bedürfniss­e des Fidesz zugeschnit­ten wurde (siehe Wissen).

Wahlkarten entscheide­nd

Ob es aber erneut für eine Zweidritte­lmehrheit reicht, war am Montag noch ungewiss. 133 Mandate würde die Orbán-Partei dazu brauchen. Auf 133 Mandaten stand sie am Montag – mit einem wesentlich­en Vorbehalt: Eines davon hatte sich der Fidesz-Kandidat im Budapester Wahlkreis Nr. 15 mit einem hauchdünne­n Vorsprung von nur 22 Stimmen gegenüber der Mitbewerbe­rin von den „Regierungs­wechslern“gesichert. Die Auszählung der Wahlkarten könnte den Stand umkehren. Dann wäre die Zweidritte­lmehrheit für Fidesz weg. Eine der Neuerungen dieses Urnengangs war, dass ethnische Ungarn aus den Nachbarlän­dern, wählen durften. Aufgrund eines neuen Gesetzes hatten sie die ungarische Staatsbürg­erschaft angenommen, ohne in Ungarn zu wohnen. Von 500.000 derartigen „Neu-Bürgern“meldeten sich zwar nur 200.000 für die Wahl an, und nur 90.000 gaben tatsächlic­h ihre Stimme ab. Doch 95 Prozent von ihnen wählten den Fidesz. Möglicherw­eise hat das ein Mandat gebracht.

Wahlkreise für Fidesz

Die wegen verkleiner­ten Parlaments nötigen Neuzuschne­idungen der Einzelwahl­kreise wurden so vorgenomme­n, dass am ehesten Fidesz davon profitiert­e. So wurde die Bergbausta­dt Ajka, eine traditione­ll linke Hochburg, auf zwei umliegende ländliche Wahlkreise aufgeteilt, sodass sich darin die linke Mehrheit auflöste. Auch dieses Mandat könnte entscheide­nd gewesen sein. Weitere Beispiele ließen sich sonder Zahl aufzählen.

MSZP-Chef Attila Mesterházy wollte deshalb dem Wahlsieger gar nicht erst gratuliere­n. „Das Ergebnis nehme ich zur Kenntnis, aber unter derart ungleichen Bedingunge­n kann man nicht gratuliere­n“, erklärte er in der Wahlnacht. Ungarn sei heute kein freies Land mehr, Orban habe es vom Weg der Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit abgebracht. Dabei machte das Mitte-links-Bündnis auch aus eigenem Verschulde­n kein gutes Bild. Viel zu lange hatte es gedauert, bis sich seine Akteure zusammenra­uften und eine gemeinsame Liste zustande brachten. Für eine solide Programmat­ik fehlte dann die Zeit. Auch wenn Orbán kein Programm vorlegte und sich weigerte, sich seinem Herausford­erer Mesterházy in einem Fernsehdue­ll zu stellen. Ex-Premier Gordon Bajnai, dem weniger MSZP-Stallgeruc­h anhaftet, der aber den Spitzenpla­tz auf der gemeinsame­n Liste der „Regierungs­wechsler“Mesterházy überlassen musste, ließ wenigstens in der Wahlnacht Selbstkrit­ik anklingen: „Wir waren nicht in der Lage, der Mehrheit der Ungarn ein genügend attraktive­s Angebot zu unterbreit­en.“Ob mit oder ohne Zweidritte­lmehrheit: Ungarn bleibt weitere vier Jahre in Orbáns eisernem Griff, die bleierne Zeit bleibt. Bis ins kleinste Dorf beeinfluss­en Netzwerke von Fidesz-Lokalpolit­ikern und von ihnen abhängige Unternehme­r die Existenzmö­glichkeite­n und den Alltag der Menschen.

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F.: AP / Marjai Janos Die rechtsextr­eme Jobbik unter Parteichef Gábor Vona erhielt über 20 Prozent.

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