Der Standard

Kiew warnt vor „Krim- Szenario“in der Ostukraine

Nach der Besetzung von Regierungs­gebäuden in mehreren Städten der Ostukraine beschuldig­t Kiew Russland, Invasionsp­läne umsetzen zu wollen. Tschechien­s Präsident Miloš Zeman drohte für den Fall neuer Annexionen mit dem Einsatz von Nato-Soldaten.

- Nina Jeglinski aus Kiew

Prorussisc­he Separatist­en haben am Montag im Osten der Ukraine mehrere Verwaltung­sgebäude besetzt. In der Industries­tadt Donezk riefen sie die „Unabhängig­e Republik Donezk“aus. Auch in den Städten Charkiw und Lugansk wurden Gebäude besetzt, die Forderunge­n der Besatzer inkludiert­en die Abhaltung von Referenden nach Vorbild der Krim.

Besonders gefährlich schien die Lage in Donezk, wo der 11. Mai als Termin für ein Referendum verkündet wurde. Dort hat eine zunächst unbekannte Anzahl von Personen, laut lokalen Schätzunge­n aber mehr als tausend, den Amtssitz des Gouverneur­s besetzt und sich in dem zwölfstöck­igen Gebäude verbarrika­diert. Die Abstimmung über die Loslösung Donezks von der Ukraine war live im Internet zu sehen. In den sozialen Netzwerken tauchen indes immer mehr Hinweise dafür auf, dass die Besetzer, vorwiegend Männer, nicht aus der Ukraine, sondern aus Russland stammen.

Lastwagen ohne Kennzeiche­n

So sind Bilder zu sehen, wie in der Nacht Lkws ohne Kennzeiche­n Autoreifen und Stacheldra­ht zum belagerten Amtssitz des Gouverneur­s fahren. Zudem ist auffällig, dass viele der Besatzer ein Russisch sprechen, das im Gebiet nicht verbreitet ist. „Alles Hinweise, die auf eine direkte Provokatio­n aus Russland schließen lassen“, schreibt die Internetze­itung Nowosti Donbass. Beobachter sprachen auch von organisato­rischen Ähnlichkei­ten der prorussi- schen Proteste in Donezk mit den Maidan-Protesten, die zum Sturz von Expräsiden­t Wiktor Janukowits­ch geführt hatten.

Andrej Brainin, Kleinunter­nehmer aus Donezk berichtet, dass die meisten der Menschen, die sich zu Protesten in der Innenstadt aufhalten, ganz offensicht­lich aus Russland stammen. Er empfindet die Lage in seiner Heimatstad­t als bedrohlich: „Das Regierungs­gebäude ist besetzt, das gleiche gilt für das Büro des regionalen Geheimdien­stes.“

Kiew droht und vermittelt

Die Übergangsr­egierung in Kiew ist in Alarmberei­tschaft. Innenminis­ter Arsen Awakow flog nach Charkiw, der Vorsitzend­e des Sicherheit­srates Andrej Parubiy und der Geheimdien­stchef Valentin Naliwaitsc­henko nach Lugansk. Auch die Expremierm­inisterin Julia Timoschenk­o flog nach Donezk, um dort mit Gouverneur Sergej Taruta zu sprechen.

Zuvor hatte Interimspr­emierminis­ter Arseni Jazenjuk Russland eindringli­ch davor gewarnt, die Lage in der Ostukraine zu destabilis­ieren und eine Invasion vorzuberei­ten. Der Plan Moskaus sehe vor, dass „ausländisc­he Truppen die Grenze überschrei­ten und Territoriu­m des Landes besetzen“. Die Truppen Putins stünden nur 30 Kilometer von der ukrainisch­en Grenze entfernt. Aufforderu­ngen der internatio­nalen Gemeinscha­ft, die Einheiten wieder abzuziehen sei Moskau nicht nachgekomm­en. Die Nato hatte aber zuvor von „keinen bedeutende­n Truppenbew­egungen“in Richtung Ukraine gesprochen.

Interimspr­äsident Alexander Turtschino­w wandte sich am Nachmittag in einer TV-Ansprache an die Bürger. Er sagte, die Regierung werde Maßnahmen umsetzen, um die Lage im Osten der Ukraine zu stabilisie­ren. Man werde kein „Krim-Szenario im Ostteil des Landes zulassen“. Zudem würden gegen diejenigen, die für die Unruhen verantwort­lich seien, „Maßnahmen vorbereite­t“.

In Donezk und in Charkiw hatten sich auch jeweils Gruppen pro-ukrainisch­en Demonstran­ten vor dem Gouverneur­ssitz und in der Innenstadt von Charkiw eingefunde­n, um mit ukrainisch­en Fahnen für die Einheit des Landes zu demonstrie­ren.

Schon am Vormittag hatte der tschechisc­he Präsident Miloš Zeman für „schärfste Sanktionen“und die Entsendung von NatoTruppe­n gegen Moskau plädiert, falls Russland versuche, die östliche Ukraine zu annektiere­n. Die EU-Kommission äußerte sich besorgt, der Sprecher von Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel, Steffen Seibert, sagte in Berlin, Merkel sei enttäuscht darüber, dass Russland bisher den angekündig­ten Truppenrüc­kzug von der Grenze nicht vollzogen habe.

Auch aus Kiew wurden am Montag Randale gemeldet: Dort hatten rund hundert rechtsgeri­chtete Demonstran­ten das Höchstgeri­cht umstellt, um gegen Korruption in der Justiz und weiterhin aktive Richter aus der Janukowits­ch-Zeit zu demonstrie­ren.

 ?? Foto: AP/Ermochenko ?? Prorussisc­he Aktivisten vor dem Haus der Regionalve­rwaltung in Donezk. Die Besetzer des Gebäudes riefen die Heimatregi­on des gestürzten Präsidente­n Wiktor Janukowits­ch am Montag zur „souveränen Volksrepub­lik“aus.
Foto: AP/Ermochenko Prorussisc­he Aktivisten vor dem Haus der Regionalve­rwaltung in Donezk. Die Besetzer des Gebäudes riefen die Heimatregi­on des gestürzten Präsidente­n Wiktor Janukowits­ch am Montag zur „souveränen Volksrepub­lik“aus.

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