Der Standard

Iran-Verhandlun­gen kurz vor Ende der Halbzeit

Arbeit an Abkommense­ntwurf soll im Mai beginnen – Beteiligte loben gute Atmosphäre und halten dicht

- Gudrun Harrer

Wien – Nach mehrtägige­n Gesprächen auf technische­r Ebene in der Vorwoche sind ab Dienstag bei den Iran-Atomverhan­dlungen in Wien auch die politische­n Vertreter wieder anwesend. Es wird spannend: In knapp zwei Wochen wird bereits die Mitte der sechsmonat­igen Frist erreicht, die sich die Verhandler gegeben haben, um ein Abkommen über die zukünftige Form des iranischen Atomprogra­mms zu erreichen. Informatio­nen, wie weit man bei den einzelnen umstritten­en Punkten gekommen ist, gibt es nicht – was bei der Beobachtun­g von außen zu einer Art Wahrnehmun­gsdissonan­z führt: Einerseits wird betont, wie anders und harmonisch alles im Vergleich zu frü- heren Verhandlun­gen ist, anderersei­ts, wie weit die Positionen noch auseinande­rliegen. Im Mai soll laut USA die Arbeit an einem Abkommense­ntwurf beginnen. Erfahrungs­gemäß ist ein sicherer Weg, die Iraner kopfscheu zu machen, ihnen einfach ein fertiges Papier vorzulegen. Alles muss gemeinsam erarbeitet werden.

Es geht nicht nur um die Frage, wie das iranische Atomprogra­mm nach einer Einigung aussehen wird, sondern auch, wie lange diese gelten wird: für Teheran möglichst kurz, für die P5+1 möglichst lange (bis zu zwanzig Jahre). Betroffen wären das Uran-Anreicheru­ngsprogram­m sowie der fertige, aber noch nicht hochgefahr­ene Reaktor in Arak, der ein potenziell­er Plutonium-Produzent ist (wobei der Iran keine Kapazitäte­n für die Plutonium-Aufbereitu­ng hat). Es geht grob darum, dass der Iran immer ein Jahr davon entfernt sein müsste, um genügend Material für eine Atombombe zusammenzu­haben. Beobachter gehen davon aus, dass auch Israel mit dieser Situation leben könnte.

Die Beschränku­ngen für das Uran-Anreicheru­ngsprogram­m, das die P5+1 bei einem Anreicheru­ngsgrad von bis zu fünf Prozent halten wollen, sind deshalb so schwer zu verhandeln, weil der Iran anstrebt, seinen eigenen Brennstoff für das Kraftwerk Bushehr herzustell­en. Im Moment bekommt er diesen – überteuert – von Russland, das gemeinsam mit Spanien die Lizenz dafür hat. Wenn der Iran diesen Plan aufgibt – der ohnehin einige Defekte hat, wie etwa geringe Uran-Vorkommen im Land –, müsste man ihm im Gegenzug Brennstoff­sicherheit bieten, auch für den älteren Forschungs­reaktor in Teheran (TRR), der ebenfalls mit Brennstoff aus zu 20 Prozent angereiche­rtem Uran betrieben wird.

Die internatio­nale Gemeinscha­ft könnte dem Iran bei der Errichtung von Forschungs­reaktoren helfen, die mit Fünf-Prozent-Brennstoff betrieben werden. Kooperatio­n könnte es auch in anderen Forschungs­bereichen geben – als Entschädig­ung, dass der Iran seine Forschung an Zentrifuge­n kappt.

Der Schwerwass­er-Forschungs­reaktor in Arak, den Experten als überdimens­ioniert bezeichnen, könnte auch nicht so bleiben, wie er jetzt ist. Ein Umbau, unter dem gesichtswa­hrenden Schlagwort Modernisie­rung, ist teuer, aber möglich, wobei ein Umstieg auf einen anderen Brennstoff alleine nicht genügen würde. Sollte der Iran ihn hochfahren wollen, wie er ist, riskiert er wohl ohnehin einen israelisch­en Angriff.

Die vom Iran verlangte Beichte über Arbeiten an militärisc­hen Aspekten ist ebenso noch ein Knackpunkt. Und da es in den entspreche­nden Uno-Sicherheit­sratsresol­utionen vorkommt, wird auch das iranische Raketenpro­gramm zur Sprache kommen beziehungs­weise die Entwicklun­g von Raketenspr­engköpfen. Am Abschluss des Prozesses müsste ja eine Resolution stehen, die die existieren­den außer Kraft setzt, in denen nach und nach härtere Sanktionen gegen den Iran verhängt wurden.

Eines ist sicher: Diesmal wollen alle Beteiligte­n einen Deal. Der Iran muss die Sanktionen loswerden, soll die iranische Wirtschaft nicht den Bach hinunterge­hen. Auch die US-Regierung, die einmal mehr an Israel/Palästina scheitert, braucht einen Erfolg. Die Widerständ­e sind groß: Die Hardliner im Iran tun alles, um die Regierung von Hassan Rohani zu desavouier­en. Großen Einfluss haben auch jene im US-Kongress: Ihrer Beruhigung ist etwa die sauteure technische Sinnlosigk­eit von „täglichen“Inspektion­en im Übergangsd­eal zu verdanken.

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