Probelauf für den „indonesischen Obama“
Parlamentswahl erste Hürde auf dem Weg ins Präsidentenamt für Jiko Widodo
Ahmad tut, was er schon tausende Male getan hat: Mit einem Löffel schmiert er braune Erdnusssauce über gegrillte Fleischspießchen und packt sie in eine Papierhülle. Dazu ein Spritzer Kejap Manis, süße Sojasoße und Klebreis. Das beliebteste Straßengericht Jakartas geht für umgerechnet einen halben Euro an den Kunden. Der Standort von Ahmads schmuddeligem Rollwagen, auf dem Gehsteig neben einem Parkplatz, könnte unromantischer nicht sein. Abgase, Lärm und Gefahren. Vor vier Jahren sei er von einem Mercedes gerammt worden, erzählt Ahmad. Seither hinke er, sein Bein sei verkrüppelt. „Niemand hat mir geholfen. Die Arztrechnung bezahle ich heute noch ab.“So etwas werde es nicht mehr geben, sagt Ahmad, „wenn Jokowi unser Präsident ist.“
Eigentlich heißt er Jiko Widodo, und ist laut Kommentatoren Indonesiens Antwort auf Barack Obama. Viele sehen in dem 52-Jährigen einen Politiker, der frischen Wind in ein System bringen wird, das viele Wähler als korrupt empfinden. Morgen, Mittwoch, finden die Parlamentswahlen statt, das Vorspiel für seinen fast garantierten Aufstieg an die Spitze. Seine „Demokratische Partei des Kampfes“muss am Mittwoch mindestens ein Viertel der landesweiten Stimmen erhalten oder 20 Prozent der Sitze gewinnen, bevor er am 9. Juli bei der Präsidentenwahl antreten kann.
Krankenversicherung für alle
Jokowi – jeder in Indonesien nennt ihn so – ist laut Umfragen klarer Favorit für die Nachfolge von Präsident Susilo Bambang Yudhoyono, der nicht mehr kandidieren darf. Vor 18 Monaten wurde der liberal denkende Bürgermeister der Stadt Surakarta schon zum Gouverneur von Jakarta. Analysten bejubeln ihn als wirtschaftlichen Pragmatiker. Vor allem aber gilt er als „sauber“, frei vom Geruch der Günstlingskultur, der in Indonesien vielen Politikern anhaftet. Jokowi ist ein „Macher“. Er revitalisierte Parkanla- gen und ermöglichte allen Bewohnern den Abschluss einer Krankenversicherung. Für das korruptionsgeplagte Indonesien ungewöhnlich: Er untersagte Angehörigen seiner Familie, sich für öffentliche Bauaufträge in der Stadt zu bewerben.
In Jakarta erhöhte er das Mindestgehalt um 40 Prozent auf etwa 165 Euro pro Monat. Ohne Vorankündigung besucht er ärmere Stadteile, wo er sich die Probleme einer Schar von Bewunderern anhört. Überflutungen, im Großraum Jakarta eine Alltagsgefahr, werden endlich bekämpft, Schulen für sozial benachteiligte Kinder gefördert. Auch dem chronischen Mangel an Wohnraum hat der Politiker den Kampf angesagt.
In ein weißes Hemd gekleidet, einem Messias ähnlich, spricht der studierte Forstingenieur und spätere Möbelverkäufer vor Massen, die ihn wie einen Rockstar bejubeln. Das verkrustete PolitEstablishment beobachtet das Phänomen mit Staunen und wachsender Sorge. Saté-Griller Ahmad hingegen hofft auf ein besseres Gesundheitssystem und eine Operation, die er sich bisher nicht leisten konnte. Jeden Tag müsse er zehn Stunden lang auf seinem kaputten Bein stehen: „Manchmal treiben mich die Schmerzen fast in den Wahnsinn.“