Billiges Geld befeuert Boom bei Übernahmen
890 Milliarden Dollar an M&A-Aktivitäten seit Jahresbeginn – Fusionskarussell in Frankreich und Indien
Wien – Auch abseits der Baustoffbranche versuchen Unternehmen aktuell ihre Marktstellung zu zementieren und greifen dabei zu Fusionen und Übernahmen, im Börsenjargon M&A abgekürzt. 890,8 Mrd. Dollar (648 Mrd. Euro) haben Unternehmen zum Kauf von Konkurrenten seit Jahresbeginn aufgewendet, zeigen Daten von Dealogic, die dem Standard vorliegen. Es ist der stärkste Jahresbeginn für Unternehmenskäufe seit 2007, dem Jahr vor dem Ausbruch der Finanzkrise.
Eine Studie der Unternehmensberater von Ernst & Young geht davon aus, dass es insgesamt zwar weniger, aber dafür durchwegs größere Deals gebe. Tatsächlich belegen die Dealogic-Zahlen, dass weltweit die durchschnittliche M&A-Transaktion 63 Prozent größer war als im Schnitt der vergangenen fünf Jahre.
Auch am Montag wurden große Deals verkündet. In Indien entsteht durch die Fusion von Sun Pharmaceutical und Ranbaxy ein Riese im Bereich Generika. Durch den Zusammenschluss der beiden auf günstige Nachahmermedikamente spezialisierten Unternehmen entsteht der weltweit fünfgrößte Produzent. Die Fusion soll den indischen Unternehmen bei der Expansion helfen. Zuletzt hatten US-Aufsichtsbehörden Qualitätsbedenken bei der Einfuhr indischer Medikamente geäußert. Mithilfe der Fusion sollen die USVorgaben künftig besser erfüllt werden, sagten die Pharma-Manager am Montag.
Auf dem französischen Mobilfunkmarkt wurde indes das wochenlange Gezerre um den Mobilfunker SFR beendet. Der Konzern Vivendi wollte sich von seiner Tochterfirma trennen, zuletzt ritterten der Kabelkonzern Numericable und die Unternehmensgruppe Bouygues um SFR. Numericable hat nun den Zuschlag bekommen. Das Unternehmen zahlt 13,5 Milliarden Euro an Cash für SFR, dazu kommen noch Aktien.
Günstige Finanzierung
Die rege M&A-Aktivität wird nicht nur von einem oder zwei Sektoren getrieben, wie etwa in der Vergangenheit. Doch insgesamt haben gerade Telekommunikations- und Internetunternehmen seit Jahresbeginn verstärkt am Fusionskarussell gedreht. Die gestiegenen Aktienkurse und günstigere Anleihenzinsen haben aber die Finanzierungskosten für verschiedene Branchen gesenkt, um auf große Einkaufstour zu gehen. So hat etwa der Europa-Ökonom François Chauchat vom Hongkonger Researchhaus GaveKal jüngst gesagt, niedrige Zinsen auf Unternehmensanleihen könnten in Europa einen Liquiditätsboom auslösen.
Dieser Boom drücke die Aktienmärkte nach oben. Tatsächlich fließen die billigen Mittel nicht nur in Übernahmen von Unternehmen, sondern auch in die eigenen Aktien. Laut Daten von Dealogic haben US-Firmen so viele Aktienrückkäufe seit Jahresbeginn angekündigt wie noch nie. (sulu)