Der Standard

Peter Liechti 1951–2014

Der Schweizer Filmemache­r starb 63-jährig an Krebs

- Dominik Kamalzadeh

Zürich – Die Themen, mit denen sich der Schweizer Filmemache­r Peter Liechti befasste, entstammte­n tief empfundene­n Interessen: an der Kunst, an der Musik und an jenem ominösen Bereich, den man gerne das Private nennt. Beim Persönlich­en blieb es dann aber nie. In seinem Dokumentar­film Vaters Garten (2013), für den er dieses Jahr noch den Schweizer Dokumentar­filmpreis erhalten hat (und nicht mehr entgegenne­hmen konnte), rückt er den Blick auf die eigenen Eltern und zielt dabei doch auf Grundsätzl­iches.

Sein Leben lang, sagt Liechti da etwa, hat er sich aufgelehnt gegen ihre kleinbürge­rliche Moral und ihr Beharrungs­vermögen, das gegen so etwas Profanes wie Glück gerichtet war. Der Film ist der Versuch, die über 80-Jährigen endlich zu verstehen. Und tatsächlic­h deckt er in dieser dialektisc­hen Begegnung mit den Eltern, in der er diese (auch) durch Hasenhandp­uppen sprechen lässt, nicht nur Gräben auf. Er findet Werte und Ideale, die es in diesen unsolidari­schen Zeiten zu bewahren gilt.

Peter Liechti, 1951 in St. Gallen geboren, studierte zunächst Medizin, ehe er über das Kunstge- schichtefa­ch zu seiner Berufung fand. Erste experiment­elle Filme entstanden noch neben seiner Lehrertäti­gkeit. Zum einen waren sie eng mit dem Schweizer Aktions- und Konzeptkün­stler Roman Signer verknüpft, für dessen „skulpturel­le Kammermusi­k“, explosive Eingriffe in den öffentlich­en Raum, Liechti eine lapidare filmische Form fand, die schließlic­h in seinem ersten Langfilm, Signers Koffer – Unterwegs mit Roman Signer (1996), kulminiert­e.

Zum anderen konnte man in kürzeren Essayarbei­ten wie Ausflug ins Gebirg (1986) Liechti schon als wortgewand­ten Anthropolo­gen kennenlern­en, der sich bei einem Bergtrip ins Vorarlberg­erische den Auswüchsen des Regionalen stellt. Doch dem Filmemache­r ging es stets um mehr als Heimatkrit­ik: Hans im Glück, sein großartige­r Wanderfilm von 2003, in dem er sich nach 30 Jahren mit einem Gewaltmars­ch das Rauchen abgewöhnen will, ist eigentlich der Versuch, den durch Schlendria­n getrübten, eigenen Blick auf die Welt zu klären.

„Un-Ruhe und Un-Sicherheit“, sagte Liechti einmal, „halte ich für einen kreativere­n Zustand als profession­elle Routine und abgeklärte (Selbst-)Sicherheit.“Es ist die- se Haltung, die Zweifel und Skepsis, ja mögliches Versagen nicht ausschließ­t, die Liechti beständig nach neuen Formen suchen ließ. In Das Summen der Insekten (2009), mit dem Europäisch­en Filmpreis prämiert, wird – nach einem Buch von Shimada Masahiko – das Scheitern am Leben zur Ode darauf umgemünzt. Das Tagebuch eines Mannes, der sich zu Tode hungert, macht er als Grenzerfah­rung sichtbar, die voller Schönheit ist.

Noch die eigene Krankheit hat Liechti zuletzt mit dem Projekt Dedication­s begleitet. Dieser „Film voller Brüche und Sprünge – überrasche­nd und roh wie das Leben selbst“, wie er auf seiner Homepage schreibt, bleibt nun unvollende­t. Am Freitag ist Peter Liechti in Zürich an Krebs gestorben.

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Foto: Liechti / Thomas Korrmk Auf richtige Momente wartend – auch mit Fliegenkla­ppe: Der Schweizer Dokumentar­ist Peter Liechti ist gestorben.

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