Der Standard

Spätes Debüt in hochklassi­ger Harmonie

Wiener Philharmon­iker und Jaap van Zweden mit Bruckners Achter im Konzerthau­s

- Stefan Ender

Wien – Oft bieten Erkrankung­en arrivierte­r Dirigenten jüngeren Kollegen die Chance, als Einspringe­r zu einem schnellen, prestigetr­ächtigen Debüt zu kommen. Diesmal war es umgekehrt: Weil der 39-jährige Yannick Nézet-Séguin seine Dirigate bei den Wiener Philharmon­ikern aus gesundheit­lichen Gründen zurücklege­n musste, fand sich der 53-jährige Niederländ­er Jaap van Zweden erstmals am Dirigenten­pult des Spitzenorc­hesters wieder.

Van Zweden, ehemaliger Konzertmei­ster des Concertgeb­ouwOrchest­ers und aktueller Chefdirige­nt des Dallas Symphony Orchestra und des Hong Kong Philharmon­ic Orchestra, ist Nézet-Sé- guin, dem tänzelnden Turbo aus Kanada, eigentlich gar nicht so unähnlich: Hohe Präzision und Elastizitä­t zeichnen seinen führungssi­cheren, aber auch feinfühlig­en Dirigierst­il aus. Bei Bruckners achter Symphonie schien es, als ob er und die Wiener Philharmon­iker schon über Jahrzehnte zusammen musiziert hätten: Die Intention des Dirigenten und die Ausführung des Orchesters waren deckungsgl­eich. Wie Reiter und Ross in absoluter Harmonie.

Selbst über das ungewöhnli­ch hurtige Tempo des zweiten Satzes – wie aufgeregte Fischschwä­rme schossen die hohen Streicher hier durch die Gegend – schien es vonseiten des Uraufführu­ngsorchest­ers dieses Werks kein Aufbegehre­n zu geben. Wundervoll delikat das Trio, wie ein Walzer im ZweiVierte­l-Takt; das Adagio war zu Beginn von diesseitig­er Präsenz, von einer physischen Sinnlichke­it, berührend das Thema der Celli und Bratschen. Toll auch der militärisc­h-edle Gestus im ersten Thema des Finales, inklusive der brachialen Paukenschl­äge.

Van Zweden gelang in der Achten das Kunststück, von Beginn an großes, oft majestätis­ches Bruckner-Theater zu bieten, sich jedoch plattem, schwerfäll­igem Lärmen zu verweigern und stattdesse­n mit differenzi­erter Lebendigke­it zu fesseln. Eine Bruckner-Deutung von hoher Genauigkei­t und Überzeugun­gskraft, in eine Reihe zu stellen mit jenen von Herbert Blomstedt und Christian Thielemann.

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