Der Standard

Verdientes Fiasko

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TDer Wahlausgan­g ist (unabhängig vom Gewinn der Zweidritte­lmehrheit) ein persönlich­er Triumph für den 50-jährigen Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán und zugleich ein verdientes Fiasko für die sozialisti­sch-liberale Opposition. Der Aufstieg der Roma- und judenfeind­lichen, rechtsradi­kalen Jobbik-Partei auf fast 21 Prozent kann als ein Alarmzeich­en für die Zukunft der bereits durch die Machtgier Orbáns ramponiert­en ungarische­n Demokratie bezeichnet werden. rotz des Verlustes von acht Prozentpun­kten (von über 52 Prozent auf 44,64 Prozent) ist am großen, ja symbolhaft­en Erfolg dieses hochbegabt­en Politikers nicht zu rütteln. Seit seinem vor mehr als zwei Jahrzehnte­n vollzogene­n Schwenk nach rechts hat er mit seinem nationalis­tischen, rechtskons­ervativen, sozialpopu­listischen Kurs die Politik in diesem vom Trianon-Trauma (drei Millionen Ungarn unter fremder Oberhoheit seit 1920) nie ganz geheilten Land geprägt.

In den letzten vier Jahren hat Orbán unbeeindru­ckt von den völlig gerechtfer­tigten Mahnungen einer zahnlosen Europäisch­en Union zielbewuss­t die Grundlagen eines autoritäre­n Systems geschaffen. Eine unangreifb­are Vorherrsch­aft der rechtsgeri­chteten Print- und elektronis­chen Medien, gestärkt durch das Schweigen der um ihre Werbeeinna­hmen bangenden Privatsend­er, die direkte Kontrolle der gesamten Finanz- und Kreditpoli­tik (einschließ­lich der Nationalba­nk), die unbekümmer­te Diskrimini­erung der westlichen Investoren; die personalpo­litische Säuberung des Justizappa­rates, der höheren Schulen und der For- schungsins­titutionen und auch der wachsende Druck in der Kulturpoli­tik sind die Merkmale seiner Ära.

Was die Linke, die unabhängig­en Liberalen und auch viele Konservati­ve (diese allerdings nur hinter vorgehalte­ner Hand) beunruhigt, ist die symbolträc­htige und bewusste Rückkehr zur Kultur-, Wissenscha­fts- und Medienpoli­tik der Horthy-Zeit (1920–1944), die das Land in eine Katastroph­e stürzte. Zu den Erfolgen der Jobbik, vor allem bei der jungen Generation, trugen nationalis­tische, Roma-feindliche und antisemiti­sche Artikel in den Fidesz-Medien maßgeblich bei, ebenso wie die massiven Kampagnen, mit denen Letztere rabiat antisemiti­sche und fremdenfei­ndliche Autoren der Horthy-Ära popularisi­erten. an muss jedoch offen ausspreche­n, dass die fachlich drittklass­ige Fidesz-Regierungs­mannschaft und ihre auch internatio­nal offensicht­lich gewordene Mischung aus handwerkli­chem Dilettanti­smus und grenzenlos­em Populismus, gewürzt durch geschickt kaschierte Korruption­spraktiken, ihre wirksamste Hilfe von links, nämlich von der sozialisti­schen Opposition, erhalten hat. Der kurz vor dem Wahltag explodiert­e Geheimkont­oskandal um ihren Vizepartei­chef hat die Sozialiste­n völlig und endgültig diskrediti­ert. Weder sie noch ihre im letzten Augenblick bunt zusammenge­würfelten liberalen und linken Verbündete­n waren imstande, durch verständli­che und glaubwürdi­ge Programme die vielen von Orbán enttäuscht­en Wähler zu gewinnen. Ohne eine radikale Wachablöse, ohne neue Gesichter und ohne Ausmerzung der korrupten parteiinte­rnen Netzwerke kann Orbán nicht nur vier weitere Jahre, sondern möglicherw­eise so lange wie Wladimir Putin regieren.

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