Der Standard

Valls verkündet Steuersenk­ung

Frankreich­s neuer Premier korrigiert Hollande-Kurs

- Stefan Brändle aus Paris

Antrittsre­den französisc­her Premiermin­ister sind mehr als eine Stilübung: Sie tragen oft schon den Keim zukünftige­n Gelingens – oder Scheiterns. Jacques Chaban-Delmas rief 1969 eine „neue Gesellscha­ft“aus; ebenso Pierre Mauroy 1981 eine neue Verstaatli­chungswell­e. Edith Cresson verpatzte hingegen ihren Einstand 1991, und Jean-Marc Ayrault verlor sich 2012 in langwierig­en Erklärunge­n zur 75-Prozent-Steuer von François Hollande.

Am Dienstag war Manuel Valls an der Reihe. Der zweite Premier von Präsident François Hollandes Gnaden soll der Linksregie­rung nach ihrer Schlappe bei den Gemeindewa­hlen neue Energie vermitteln. „Zuviel Leiden, zu wenig Hoffnung – das ist die Lage Frankreich­s“, deklamiert­e er in einer kurzen, aber mitreißend­en Rede.

Im Rahmen von Hollandes „Pakt der Verantwort­ung“will er Firmenabga­ben für Mindestloh­nempfänger streichen, andere niedere Einkommen ebenfalls steuerlich entlasten. Das bedingt eine Sparanstre­ngung von 50 Milliarden Euro. Doch betrifft das auch Beamte, Gesundheit­sausgaben und Pensionen? Keine Antwort.

Denn dem Premier sind die Hände gebunden: Vor den EU-Wahlen im Mai kann er die Wählerscha­ft der Sozialiste­n, nicht vergrätzen.

In der Partei rumort es hörbar. Die Parteilink­e hat zwar nicht vor, die Regierung zu Fall zu bringen, weshalb die Vertrauens­abstimmung für Valls am Dienstag als gefahrlos galt. Aber langsam wird es in der Nationalve­rsammlung eng für das Hollande-Lager: Vergangene Woche hatten sich die Grünen aus der Regierung zurückgezo­gen, da sie Valls als zu „rechts“und zu wenig umweltbewu­sst erachten. Für die Vertrauens­abstimmung gelobten sie, nicht gegen Valls zu stimmen.

Druck von links und rechts

Unter Druck gerät er paradoxerw­eise auch von rechts, wo der populistis­che Front National betont sozial auftritt. Parteichef­in Marine Le Pen verschreit Valls als „Liberalen“. Der Premier versprach, er werde keinen Austerität­skurs verfolgen. Die von Berlin hart kritisiert­e Defizitpol­itik werde er in Brüssel „besser erklären“.

Auch wenn Hollande den neuen Kurs der Steuer- und Abgabensen­kung unterstütz­t, wäre es dem Präsidente­n nur recht, wenn sich der ehrgeizige Neo-Premier an den Kastanien, die er für ihn aus dem Feuer holen soll, gründlich die Finger verbrennen würde.

Noch genießt er Rückhalt weiter Teile der Bevölkerun­g; dieser kann aber rasch bröckeln, wenn die Regierung etwa bei der bisher sakrosankt­en Sozialvers­icherung zu kürzen beginnt. Alles in allem muss Valls mit großer Vorsicht zu Werke gehen. Er hat nicht eine Machtbasis, wie sie Matteo Renzi in Italien, genießt, um Reformen durchzufüh­ren. Zumindest bis zu den Europawahl­en wird er die schwierigs­ten Pläne daher in der Lade belassen.

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F.: Reuters/Platiau Schwierige Reformen könnten schon bald Manuel Valls’ Popularitä­t schmälern.

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