Der Olivenbaum in der Bakterie
In Olivenöl enthaltene Substanzen sind ein natürlicher Schutz gegen Zellalterung. Grazer Forschern gelang es nun, einen hochwirksamen Bestandteil nachzubauen – mithilfe von Bakterien und einfacher Zutaten.
Graz – Sie ist tatsächlich so gesund, wie ihr nachgesagt wird: die Mittelmeerküche. Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass diese Form der Ernährung mit Gemüse, Früchten, Fisch und Ballaststoffen geradezu eine Wunderwaffe gegen die Plagen des modernen Menschen ist. Sie schützt erwiesenermaßen vor Herz-KreislaufErkrankungen, genauso wie vor Diabetes und Übergewicht und neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer. Noch wichtiger: Sie scheint tatsächlich wirksam gegen Todesursache Nummer eins zu sein: Bis zu 23 Prozent aller Krebserkrankungen könnten durch mehr Obst und Gemüse verhindert werden.
Doch was genau ist eigentlich so heilsam an der gesunden Ernährung? In den letzten Jahren rückte auf der Suche nach den entscheidenden Faktoren ein wesentlicher Teil der mediterranen Küche in den Fokus der Forschung: das Olivenöl. Vieles deutet darauf hin, dass vor allem die Bestandteile der Olive und ihres Öls – vor allem, wenn es kalt und „extra vergine“gepresst wird – die Südländer so viel resistenter gegen Krankheiten wie Krebs machen.
Forschern des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (Acib) in Graz ist es jetzt erstmals gelungen, einen der wertvollsten Wirkstoffe des Olivenöls, Hydroxytyrosol, auf einfache und effektive Weise biotechnologisch herzustellen. Hydroxytyrosol ist ein sekundärer Pflanzenstoff ähnlich den Flavonoiden und ein hochpotentes Antioxidans, das unsere Zellen vor schädigenden Sauerstoffverbindungen und damit vor Alterung schützen kann.
Obwohl Verbindungen der Tyrosol-Familie in fast allen Pflanzen und Früchten in großer Vielfalt zu finden sind, erweist sich ihre gezielte Gewinnung als ziem- lich knifflig. Sie direkt aus den Pflanzen zu isolieren scheitert an der zu geringen Konzentration, und die künstliche Synthese im Labor ist kompliziert und kostenintensiv, da die Ausgangsstoffe teuer sind, vor allem aber chemisch äußerst träge. Nur durch aggressive Reaktionsschritte unter manchmal extremen Bedingungen wie Temperaturen von bis zu minus 100 Grad Celsius können sie hergestellt werden.
Die Grazer Forschungsgruppe hat nun einen alternativen Herstellungsweg gefunden, bei dem sie die Natur für sich arbeiten lässt. Sie nützt die natürliche Fähigkeit des Bakteriums Nocardia, aus günstigen Carbonsäuren das wertvolle Hydroxytyrosol herzustellen. In biotechnologischer Feinarbeit gelang es, den Prozess ins gründlich erforschte Bakterium E. Coli zu verlagern und den Stoffwechselprozess der Mikroorganismen so zu optimieren, dass nun nur durch Zugabe von simpler Carbonsäure, Zitronensäure und Zucker zum Nährmedium der Pflanzenstoff in reiner Form gebildet wird.
Cocktail an Pflanzenstoffen
Angewendet wird die Substanz in Hautcremes und als mögliches Nahrungsergänzungsmittel, in Zukunft vielleicht auch gezielt als Medikament. Hydroxytyrosol ist zwar eine potente antioxidative Verbindung, dass sie allein aber für die gesundheitsfördernde Wirkung der Olive verantwortlich ist, ist nicht bewiesen. „Manche Studien haben sogar gezeigt, dass die Einnahme von reinen Substanzen eher schädigt als schützt“, sagt Margit Winkler, Leiterin der Studie. Der ganze Cocktail an sekundären Pflanzenstoffen in Früchten und Gemüse scheint die Wirkung auszumachen.
„Das Spannendste an unseren Ergebnissen ist die Methode selbst“, betont Winkler. „Manche chemische Reaktionen wie eben die Umsetzung von gewissen pflanzlichen Stoffen ist bis heute im Labor nur sehr aufwändig durchzuführen – oder manchmal auch gar nicht. Die Natur hat aber dafür oft schon eine Lösung gefunden, und die können wir nützen.“
Dieser Gedanke hat sie auch von der technischen Chemie zur Biotechnologie gebracht, wo lebende Zellen als „chemische Arbeitstiere“dienen. „Obwohl die Ausgangsstoffe und die Endprodukte der meisten chemischen Reaktionen in Bakterien bereits bekannt sind, wissen wir von vielen interessanten chemischen Prozessen nicht, wie oder warum sie ablaufen und wie genau die dazu nötigen Enzyme funktionieren“, sagt Winkler.
In weiteren Projekten möchten die Acib-Forscher mehr darüber herausfinden, wie die Natur es geschafft hat, ohne aggressive Hilfsstoffe oder extreme Bedingungen bestimmte Substanzen herzustel- len. Winkler erhofft sich davon neue Anwendungsfelder: „Bakterienkulturen sind billig und leicht zu handhaben, und reine Pflanzenstoffe sind ja nicht nur für die Gesundheit interessant“, sagt Winkler. Schließlich wird das Acib durch das Kompetenzzentrenprogramm Comet des Wissenschaftsund Wirtschafts- sowie des Infrastrukturministeriums gefördert – und das will gemeinsame Projekte zwischen Forschern und Unternehmen forcieren.
Tatsächlich könnte die Methode auch noch gänzlich abseits der Medizin reüssieren: Eine weitere Anwendung kann nämlich die Gewinnung von erneuerbaren Energiequellen und Treibstoffen aus biologischen Ausgangsstoffen sein. Eine Strategie, die nicht nur in Graz, sondern auch international – vom Gentechnik-Pionier Craig Venter bis zu den großen Energiekonzernen wie Shell und BP – schon seit einigen Jahren verfolgt wird.