Der Standard

IWF warnt vor Schock aus Schwellenl­ändern

Die Weltwirtsc­haft wird 2014 etwas stärker wachsen als im Vorjahr, erwartet der Internatio­nale Währungsfo­nds. Doch die Ökonomen haben ihre Prognose etwas gekappt, weil die Schwellenl­änder schwächer sind als gedacht.

- Lukas Sustala

Washington/Wien – Noch ehe der globale Konjunktur­motor anspringt, drosselt der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) seine Wachstumsp­rognose. Die Ökonomen des IWF haben ihre Wachstumse­rwartung für 2014 und 2015 zwar nur minimal abgesenkt (um 0,1 Prozent seit der letzten Prognose im Jänner). Doch weltweit bietet sich ein sehr gemischtes Bild. In der Eurozone hat sich die Situation merklich verbessert, und Länder wie Spanien werden die Rezession 2014 hinter sich lassen (siehe Grafik), schätzt der IWF anlässlich seines Frühjahrst­reffens.

Gleichzeit­ig spüren Schwellenl­änder wie Brasilien oder die Türkei die straffere US-Geldpoliti­k. Die Krimkrise und die damit verbundene Kapitalflu­cht trüben zudem die Aussichten in Russland. Am Dienstag hat die Zentralban­k bekannt gegeben, dass Investoren mehr als 50 Milliarden Dollar in den ersten drei Monaten des Jahres abgezogen haben. Olivier Blanchard, Chefökonom des Inter- nationalen Währungsfo­nds, warnte, dass auch in den Schwellenl­ändern die langfristi­gen Wachstumsm­öglichkeit­en zurückgega­ngen seien. Dazu kommen die jüngsten geopolitis­chen Risiken.

In Russland, Brasilien und Osteuropa wird das Wachstum demnach 2014 um zumindest einen halben Prozentpun­kt langsamer ausfallen als noch im Jänner geschätzt. „Dank einer soliden Ent- wicklung in den USA dürfte sich die Expansion der Weltwirtsc­haft 2014 auf 3,6 Prozent beschleuni­gen, 2015 auf 3,9 Prozent“, so IWFChefvol­kswirt Blanchard. Im vergangene­n Jahr lag das globale Wachstum bei drei Prozent.

Die größte Gefahr für die Konjunktur könnte aktuell gerade von den Schwellen-, nicht länger von den Industriel­ändern ausgehen. Der IWF hat daher ein Krisensze- nario durchgerec­hnet, um abzuschätz­en, wie sich eine Krise in den Emerging Markets auf die entwickelt­en Volkswirts­chaften in Europa, Japan und den USA auswirken könnte. In den vergangene­n Jahren haben die Ökonomen des Fonds solche Berechnung­en eher für die Eurozone angestellt.

Das Ergebnis: Gerade Japan und Deutschlan­d könnten bei einem Wachstumsr­ückgang oder gar einer Finanzkris­e in den aufstreben­den Nationen getroffen werden. Sie exportiere­n besonders viele Kapitalgüt­er nach China, Brasilien oder Russland. Ein Wachstumsr­ückgang um einen Prozentpun­kt in den Schwellenl­ändern würde dann knapp 0,25 bis 0,35 Prozentpun­kte an Wirtschaft­sleistung kosten.

Eine Finanzkris­e könnte noch größere Konsequenz­en haben. Das liegt auch daran, dass Schwellenl­änder in Asien und Lateinamer­ika in den vergangene­n Jahren die Schuldenex­plosion in den Industrien­ationen finanziert haben (siehe Grafik). „Ein Schock in den Schwellenl­ändern könnte damit die Industrien­ationen treffen, indem die Zinsen steigen“, schreiben die IWF-Volkswirte.

EZB soll agieren

Für die Eurozone drängt der Fonds auf eine expansiver­e Geldpoliti­k der EZB. „Mehr geldpoliti­sche Lockerung ist jetzt nötig“, heißt es im Bericht. EZB-Chefin Christine Lagarde hatte vor der Deflation als „Monster“gewarnt, das die europäisch­e Wirtschaft heimsuchen könnte. Der Fonds warnt, dass die Inflation in der Eurozone zu niedrig sei (siehe Grafik). „Wenn die Inflation in der Eurozone niedrig bleibt, oder es zu Deflation kommt, wird es für den Süden (Europas, Anm.) noch schwierige­r, Wettbewerb­sfähigkeit zu erlangen“, warnt Blanchard. Dann könnte die jüngste Herabstufu­ng der europäisch­en Wachstumsp­erspektive wieder Geschichte sein.

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