Der Standard

Stadtchefi­n mit eiserner Faust im Samthandsc­huh

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Trotz der Verluste, die auch sie bei den Wahlen zum Pariser Bürgermeis­teramt einstecken musste, gilt ihr Aufstieg als Gegenbeisp­iel zum miserablen Abschneide­n bei den Kommunalwa­hlen, das Frankreich­s Sozialiste­n jüngst zur Regierungs­umbildung zwang. Und so wie der neue Premier Manuel Valls, der am Dienstag seine Regierungs­erklärung abgab, ist auch Anne Hidalgo – die nun als erste Frau das Büro im Hôtel de Ville in der Seine-Metropole führt – Kind einer spanischen Immigrante­nfamilie.

Dass die 54-jährige Mutter dreier Kinder im Wahlkampf versuchte, Minister der eigenen Partei von Veranstalt­ungen fernzuhalt­en, ist indes eher auf die schlechten Umfragewer­te der Sozialiste­n zurückzufü­hren als auf eine mangelnde innerparte­iliche Verankerun­g. Denn anders als Neo-Premier Valls gilt die als Tochter einer Hafenarbei­terfamilie nahe Cádiz geborene Politikeri­n nicht als Reformerin, sondern eher als brave Vertreteri­n traditione­ller sozialdemo­kratischer Werte.

An mangelndem Charisma, das ihr immer wieder vorgeworfe­n wurde, mag es gelegen sein, dass sie im ersten Wahlgang Mitte März überrasche­nd weniger Stimmen erhielt als ihre konservati­ve Konkurrent­in Nathalie Ko- sciusko-Morizet. Hidalgo konnte sich erst in einer Stichwahl vom Vorwurf freischwim­men, als Stellvertr­eterin des beliebten Bürgermeis­ters Bertrand Delanoë seit 2002 eher farblose Parteipoli­tik betrieben zu haben.

Den Wert einer guten Ausbildung habe ihr ihr Vater vermittelt, hat Hidalgo der spanischen Zeitung El País während des Wahlkampfe­s erzählt: „Er glaubte an das Ideal der spanischen Republikan­er: dass Ausbildung der erste Schritt zur Emanzipati­on ist.“Ihre Jugend verbrachte Hidalgo, die ihren Geburtsnam­en Ana Maria erst bei ihrer Einbürgeru­ng im Alter von 14 Jahren gegen das französisc­he Anne tauschte, in La Duchière, einer als Problemvie­rtel geltenden Gegend Lyons. Erst nach einer Ausbildung als Sozialarbe­iterin trat sie in die Sozialisti­sche Partei ein, wo sie schon bald begann, sich nach oben zu arbeiten. Ihr Karrierewe­g führte sie 1997 bis 2002 in die Regierung von Premier Lionel Jospin als Beraterin in mehrere Ministerie­n; erst danach ging es in die Stadtpolit­ik.

Dass sie im täglichen Geschäft auch rücksichts­los sein kann, mussten auch schon Koalitions­partner erfahren: Ein Politiker der Grünen bezeichnet­e ihren Stil als „eiserne Faust in Samthandsc­huhen“. Manuel Escher

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Foto: Reuters Anne Hidalgo führt als erste Frau das Pariser Rathaus.

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