Der Standard

Das N-Wort

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„Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie.“Das bekanntest­e Palindrom der deutschen Sprache kommt ohne das Wort nicht aus. Für die Wiener Festwochen wollte der Regisseur Jean Genets Stück „Die Neger“in „The Blacks“umbenennen (nachdem es im Internet einen Shitstorm gegeben hatte). Aber der Übersetzer und Theatergig­ant Peter Stein beharrte erfolgreic­h auf dem Titel, den der Autor 1959 gewählt hatte. Und in der berühmtest­en Rede, die jemals über das Schicksal der schwarzen Amerikaner gehalten wurde, in Martin Luther Kings I have a dream wird das Wort ein dutzendmal verwendet: We must face the fact that the Negro is still not free.

Warum soll also nicht ein Mölzer oder sonst einer von den FPÖ-lern oder den vielen Das-wird-man-ja-noch-sagendürfe­n-Zeitgenoss­en das NWort verwenden?

Weil diese Frage bei den meisten eine Form des verschlage­nen Blödstelle­ns ist. Weil der Begriff von vielen, die davon betroffen sind, nicht mehr als angemessen empfunden wird. Weil ein normales zivilisier­tes Verhalten, und nicht irgendein „Gutmensche­ntum“, gebietet, darauf Rücksicht zu nehmen.

Was Martin Luther King noch 1963 verwendete, ist seither längst durch „black“und dann durch „african american“ersetzt worden. Im deutschen Sprachraum waren vor 100 Jahren „Weib“und „Weiber“auch normal. Wer heute noch auf derlei besteht, muss sich fragen lassen, in welcher Geisteswel­t er lebt.

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