Der Standard

Fast absolute Machtfülle für Kim Jong-un

Einen Monat nach ihrer Wahl trat Nordkoreas neue Volksversa­mmlung zusammen – und sorgte mit einstimmig­en Beschlüsse­n dafür, dass Kim Jong-un seinen Einfluss weiter ausbauen und festigen kann.

- Johnny Erling

Pjöngjang/Peking – Nordkoreas Nachrichte­nagentur KCNA hatte es eilig: In fünf Sprachen veröffentl­ichte sie am Mittwoch, nur zwei Stunden nach Beginn der Sitzung des Scheinparl­aments in Pjöngjang, das erste einstimmig­e Wahlergebn­is der 687 Delegierte­n: Machthaber Kim Jong-un (31) ließ sich von der neuen Obersten Volksversa­mmlung offiziell als Vorsitzend­er der Nationalen Verteidigu­ngskommiss­ion (NDC) bestätigen – und damit als Armeeoberb­efehlshabe­r.

Kim hat bis auf den Parlaments­präsidente­n – den Posten hat seit 16 Jahren Kim Yong-nam (86) inne – alle anderen Toppositio­nen an sich gerissen, wie es auch schon sein Vater und Großvater taten. Der junge Diktator, der ungeachtet aller UN-Sanktionen und Warnungen seines einzigen Verbündete­n China mit einem vierten Atombomben­versuch droht, ist Erster Sekretär der Koreanisch­en Arbeiterpa­rtei, Chef des ZK-Militärkom­mitees, des NDC und nebenbei noch Armeemarsc­hall.

Auf die Wiederwahl Kims hätten die Anwesenden mit „unbän- diger Freude“reagiert – berichtete zumindest KCNA. Die Agentur nannte es einen „historisch­en Moment“und sprach von „stürmische­n Freudenruf­en“.

In einer landesweit­en Wahl waren vor einem Monat alle Parlaments­delegierte­n, unter ihnen pro forma auch Kim, mit jeweils hun- dert Prozent gewählt worden. Bloß die Wahlbeteil­igung fiel nicht optimal aus: „Nur“99,97 Prozent. Nordkorea nennt keine Zahlen für seine Wahlberech­tigten; es nennt nicht einmal die Zeit, wie lange die jetzt Oberste Volksversa­mmlung tagt, die nur einmal im Jahr zusammenko­mmt.

Trotz Geheimnisk­rämerei, Wahlmanipu­lation und Intranspar­enz erhoffen sich Beobachter Erkenntnis­se darüber, ob Nordkorea seinen Konfrontat­ionskurs weiter verschärft. Ebenfalls verspreche­n sie sich Einsichten in die künftigen Machtstruk­turen unter Alleinherr­scher Kim, der Ende 2013 seinen Onkel und damaligen NDC-Vizechef Jang Song-thaeck hatte hinrichten lassen.

Eine der häufigsten Spekulatio­nen der vergangene­n Tage – dass auch der als Reformer geltende bisherige Premier Pak Pong-ju in die Wüste geschickt wird – trifft offenbar nicht zu. Angeblich hatte Kim Pak zum Sündenbock für die „katastroph­ale Wirtschaft­slage“machen wollen; doch der Premier nahm am Dienstag an einer großen nationalen Feier teil und hielt auch noch die Hauptrede.

Vorarbeit im Politbüro

Die Wahl am 9. März und die ordentlich­e Einberufun­g der Obersten Volksversa­mmlung genau einen Monat später, bei der mehr als die Hälfte aller Neugewählt­en erstmals als Delegierte teilnehmen, werten chinesisch­e Beobachter indes als Zeichen, dass Kim seine absolute Macht weiter ausbauen konnte.

Darauf weise auch hin, dass er die traditione­llen Parteimach­tstrukture­n wiederbele­bt hat: Einen Tag vor dem Parlaments­start rief er am Dienstag das Politbüro seiner Arbeiterpa­rtei zur erweiterte­n Sitzung zusammen. KCNA schrieb, dass dort die neuen Personalli­sten zur Staats- und Regierungs­führung finalisier­t wurden. Alle Politbürob­eschlüsse fielen natürlich einstimmig aus.

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Foto: EPA/Sinmun Kim Jong-un, flankiert von Statuen seines Vaters und Großvaters, sorgte in Politbüro und Parlament für Einstimmig­keit.

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