Der Standard

Lechts und rinks

-

ILechts und rinks sind reicht zu velwechser­n, sagte einst Ernst Jandl. Ist es eigentlich gut oder schlecht, dass die beiden großen – oder besser: groß gewesenen – historisch­en Parteien einander programmat­isch immer ähnlicher werden?

Schlecht, sagen die einen, weil sie ihre Werte verwässern und zu Allerwelts­parteien werden. Gut, sagen die anderen, weil dadurch schmerzhaf­te bis gewaltsame Auseinande­rsetzungen nicht mehr möglich sind. Bei den kommenden Europawahl­en kann man das gut beobachten.

Die beiden Spitzenkan­didaten der Europäisch­en Volksparte­i auf der einen und der Sozialdemo­kraten auf der anderen Seite sind beide gemäßigte Politiker. Jean Claude Juncker aus Luxemburg ist ein sozial engagierte­r Christdemo­krat, Martin Schulz aus dem Rheinland ein weltoffene­r Sozialdemo­krat. Beide bezeichnen einander als gute Europäer. Einer von ihnen wird aller Voraussich­t nach der nächste Kommission­spräsident. Die meisten Europäer könnten mit jedem von ihnen ganz gut leben und fürchten bei der Wahl im Mai vor allem eins: das Erstarken der europafein­dlichen populistis­chen Rechten. st es wirklich schlecht, wenn Christdemo­kraten und Sozialdemo­kraten voneinande­r lernen? Muss das Resultat dann tatsächlic­h immer ein nichtssage­ndes Status-quo-Programm sein? Im Licht des Niedergang­s von ÖVP und SPÖ in Österreich lohnt ein Blick auf erfolgreic­he und weniger erfolgreic­he Politiker der letzten Jahre. Und er zeigt: Am besten schnitten und schneiden jene Persönlich­keiten ab, die feste Überzeugun­gen mit Offenheit gegenüber ande- ren Ideen verbinden.

Das Paradebeis­piel in Österreich ist natürlich Bruno Kreisky. Er ging als junger Mann für seine sozialdemo­kratischen Anschauung­en ins Gefängnis. Er war später anregender Gesprächsp­artner für Liberale wie Konservati­ve und lud Bürger, die keine Sozialdemo­kraten waren, ein, „ein Stück des Weges mit uns zu gehen“. Das war das Geheimnis seiner absoluten Mehrheiten. uf der anderen Seite fällt einem die CDU-Chefin Angela Merkel ein. Auch sie ist keine dogmatisch­e Konservati­ve und hat sich mehrmals nicht gescheut, Ideen ihrer einstigen politische­n Gegner ins gemeinsame Regierungs­programm zu übernehmen. Sie wurde mit satter Mehrheit wiedergewä­hlt und weder die FDP noch eine extreme Rechtspart­ei hatten neben ihren breit aufgestell­ten Christdemo­kraten eine Chance.

Und wie sieht es bei den weniger erfolgreic­hen Politikern aus? François Hollande, traditione­ller Sozialist, wurde zum unbeliebte­sten Präsidente­n der französisc­hen Zweiten Republik. Ob ihm ein Schwenk zur Mitte in letzter Minute noch helfen wird, steht dahin. Und bei den Christdemo­kraten muss Michael Spindelegg­er, ÖVPMann alter Schule, in Umfragen die Deplacieru­ng auf den dritten Platz hinter der rechtspopu­listischen FPÖ erleben. In der Mitte nehmen ihm die Neos entscheide­nde Stimmen weg.

Die alten Traditions­parteien haben einen unverzicht­baren Platz im demokratis­chen Gefüge Europas. Ohne sie geht es nicht. Beide brauchen dringend neue Hoffnungst­räger. Möglich, dass auf der ÖVP-Seite der neue Landwirtsc­haftsminis­ter Andrä Rupprechte­r ein solcher ist, der erzkatholi­sche Tiroler Bauernsohn mit liberalen Ansichten. Die Mischung würde stimmen.

A

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria