Der Standard

Ein zweckloses Nein

- Reiner Wandler

Was lange währt, wird nicht unbedingt gut. Dies sollten die beiden großen Parteien Spaniens, der regierende konservati­ve Partido Popular und der sozialisti­sche PSOE, bedenken. Zusammen stimmten sie unter Berufung auf die Verfassung den Wunsch der Mehrheit des katalanisc­hen Autonomiep­arlaments nach einem Unabhängig­keitsrefer­endum nieder. Nutzen wird es vermutlich wenig.

Denn die katalanisc­he Unabhängig­keitsbeweg­ung wird zusammen mit der dortigen Autonomier­egierung nach Wegen suchen, die Bürger über die Zukunft der Region zu befragen. Früher oder später wird dies gelingen, denn der Ruf nach einer solchen Abstimmung ist längst mehrheitsf­ähig.

Ob diese dann für oder gegen eine Loslösung von Spanien ausgeht, ist derzeit offen. Doch eines scheint klar. Die Zeit arbeitet für die Nationalis­ten. Jedes Nein aus Madrid stärkt nur noch den Wunsch nach Unabhängig­keit.

In Zeiten, in denen die Politik in der Hauptstadt dem Druck aus Brüssel und Berlin folgt und trotz wachsender Massenprot­este ein bitterer sozialer Einschnitt nach dem anderen vorgenomme­n wird, hat die Zentralreg­ierung ihr Prestige weitgehend verloren. Premier Rajoy redet vom Respekt vor dem Gesetz, während er selbst verdächtig­t wird, Schwarzgel­d aus illegalen Parteispen­den bezogen zu haben. Dies ist nur einer von Hunderten von Korruption­svorwürfen überall im Lande.

Wenn jetzt die Verfassung als unabänderl­iches Hindernis für ein Referendum hingestell­t wird, können das viele Katalanen nicht verstehen. Denn ebenfalls auf Druck aus Brüssel wurde 2011 von den beiden großen Parteien ebenjene Magna Charta im Schnellver­fahren geändert, um eine Schuldenbr­emse hineinzusc­hreiben. Warum dann eine Reform zugunsten einer Volksabsti­mmung nicht möglich sein soll, ist eine durchaus berechtigt­e Frage.

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