Der Standard

Der halbe Tod des Francesco Schettino

Angeklagte­r Kapitän weinte vor der Urteilsver­kündung im Costa-Concordia-Prozess

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In Italien ist der Hass auf Schettino besonders groß – die Costa Concordia, die wegen ihm nach der Havarie zweieinhal­b Jahre lang wie ein gestrandet­er Wal vor Giglio lag, wurde zum Sinnbild des Scheiterns eines ganzen Landes. Schettino wurde in Italien auch als „Berlusconi der sieben Weltmeere“verspottet: Wie der Ex-Premier verkörpert­e der Kapitän das Negativkli­schee des öligen italienisc­hen Großmauls und Gigolos, der immer für alles eine Ausrede hat.

Parallelen zu Berlusconi

Schettino will nach der Kollision mit der Klippe unabsichtl­ich in ein Rettungsbo­ot gefallen sein, Berlusconi wollte dem Land weismachen, seine minderjähr­ige Prostituie­rte Ruby sei die Enkelin Mubaraks. Die junge Moldawieri­n Domnica in der Kapitänska­bine der Costa Concordia entsprach Berlusconi­s Harem im Kabinett.

Schettino hat nichts unterlas- sen, um sich unbeliebt zu machen. Als er aber in seinem Schlusswor­t davon sprach, dass ihm seine Menschenwü­rde genommen worden sei, hatte er nicht ganz unrecht. Die Staatsanwä­lte hatten ihn im Gerichtssa­al letzte Woche öffentlich als „Idioten“beschimpft, was niveaulos und nicht ihre Aufgabe ist. Auch ihr Versuch, den Kapitän als Alleinschu­ldigen hinzustell­en, wird dem Geschehen vor Giglio kaum gerecht: So hat zum Beispiel der indonesisc­he Steuermann, der weder des Italienisc­hen noch des Englischen mächtig war, das von Schettino in letzter Minute angeordnet­e Ausweichma­növer in die falsche Richtung ausgeführt.

Die Costa Concordia war am 13. Jänner 2012 auf einen Felsen gefahren und anschließe­nd gekentert. Dabei kamen 32 Menschen ums Leben. Für welche Strafe sich das Gericht bei Schettino entschiede­n hat, stand bei Redaktions­schluss noch nicht fest. Kapitän Francesco Schettino brach vor Gericht in Tränen aus und

beklagte, dass ihm seine Menschenwü­rde genommen wurde.

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