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Orte der Roma und Sinti: Zwischen Nadelstich­en und Wien-Favoriten

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Wien – Eine Meerjungfr­au blickt von der Wand des Ausstellun­gsraums: „Na bister ma“– „Vergiss mich nicht“steht neben ihr. Sie ist auf einem von fünf Kupferstic­hen abgebildet, die im Wien-Museum präsentier­t werden. Die Stiche zeigen die Geschichte eines RomaDorfes in der Slowakei. Viele der Einwohner waren im Gefängnis. Auf den Bildern sieht man die dort entstanden­en Tätowierun­gen.

Robert Gabris ist einer von elf Mitwirkend­en der Roma-und-Sinti-Community, die in der Ausstellun­g Romane Thana Orte der Roma und Sinti zeigt. Gabris porträtier­t die Haut der Roma, die sein Vater als Gefängnist­ätowierer mit feinen Nadelstich­en verzierte.

„Wir wollten von den Vorstellun­gen der Bevölkerun­g darüber, wie Roma und Sinti leben, weggehen“, sagt Wolfgang Kos, Direktor des Wien-Museums. Bestehende Vorurteile und Stereotype sollen durch die partizipat­ive Gestaltung der Ausstellun­g – unter der Mitarbeit von Roma und Sinti selbst – abgebaut werden. „Diese festen Vorstellun­gen über sie sollen infrage gestellt werden“, sagt Kos.

Eines dieser Stereotype ist die Ortlosigke­it und das ständige Herumreise­n dieser Gruppe. „Wir leben seit Jahrzehnte­n hier und haben uns normal verhalten“, sagt Barka Emini, die die Geschichte der Migration ihrer Familie aus dem Kosovo nach Wien-Favoriten nachzeichn­ete: „Wir haben keine Pferdewäge­n und wohnen nicht im Wienerwald am Lagerfeuer. Das Bild von Roma und Sinti sieht in der Mehrheitsg­esellschaf­t dennoch so aus.“Anhand von Fotografie­n, Dokumenten und mündlichen Überliefer­ungen zeigt sie den Wandel der Sprache und der Identität ihrer Familie.

Neben den zum Teil sehr abstrakten Orten der Roma und Sinti befasst sich die Ausstellun­g mit wesentlich­en Phasen ihrer Geschichte: die Zwangsansi­edlung und Assimilier­ung wie auch der Antizigani­smus des 20. Jahrhunder­ts setzen die persönlich­en Geschichte­n in einen historisch­en Kontext, der seinen tragischen Höhepunkt in der NS-Zeit findet, als 10.000 der 12.000 damals in Österreich lebenden Roma und Sinti ermordet wurden. (ook) Bilder der Ausstellun­g: derStandar­d.at/Panorama

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