Der Standard

Leere Drohungen aus Athen

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Empörung über die Politik der anderen, nur nicht über die Missstände im eigenen Land, „starke“Auftritte, Drohungen bis zur persönlich­en Verunglimp­fung der deutschen Kanzlerin: Das gehört seit Ausbruch der griechisch­en Staatskris­e wegen Bankrottge­fahr im Mai 2010 zur Grundausst­attung jeder neuen Regierung in Athen.

Das war so bei Pasok-Premiermin­ister Giorgos Papandreou. Er hatte 2009 mit falschen Versprechu­ngen einen fulminante­n Wahlsieg errungen, indem er die Wähler über den wahren Zustand der Staatsfina­nzen täuschte. Zigmilliar­den Euro an Hilfsgelde­rn später war er weg.

Es war so bei seinem Nachfolger Evangelos Venizelos – legendär eine Ministerra­tssitzung in Luxemburg, bei der er mit Blanko-Milliarden­forderunge­n Wolfgang Schäuble zur Weißglut trieb. Es war so beim konservati­ven Antonis Samaras. Der geißelte 2012 Troika und Eurohilfsp­rogramme, verweigert­e die Kooperatio­n zur Sanierung – er wollte Premier werden. Das wurde er auch, und mäßigte sich.

Nun scheint sich das Spiel mit einer links-/rechtspopu­listischen Regierung unter Alexis Tsipras zu wiederhole­n. Seit Monaten übt er sich in Schimpfkan­onaden gegen die Europartne­r, droht mit Verweigeru­ng. Er wird das – wie seine Vorgänger – nicht lange durchhalte­n. Die Griechen brauchen dringend eine sozialere Politik, aber noch viel mehr die Totalrefor­m eines kaputten Staates. Mit Drohung ist das nicht zu erreichen, sondern in Teamarbeit mit Euroland.

Budapest, Kiew, Moskau, Washington, Minsk – die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat in den vergangene­n Tagen nicht nur ein beeindruck­endes Reisepensu­m absolviert, sondern auch gezeigt: Ohne Merkel läuft nichts auf der europäisch­en Bühne, sie dominiert Europa. Merkel wird auch als die wichtigste Vertreteri­n Europas im Weltgesche­hen wahrgenomm­en. Deutschlan­d hat damit die nach dem Zweiten Weltkrieg auferlegte Zurückhalt­ung abgelegt – auch, weil sich Frankreich selbst abgemeldet hat. Merkels Wort hat Gewicht, das zeigte sich insbesonde­re in Washington, wo US-Präsident Barack Obama vor allem eines tat: Merkel zuhören. Das tat schon die versammelt­e Weltgemein­schaft bei der Münchner Sicherheit­skonferenz und davor beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos.

Merkel erklärt nüchtern, was Sache ist: Ob zur Euro- oder Ukraine-Krise, sie hat die Fakten bis ins Detail parat. Die promoviert­e Physikerin geht in der Politik wie in den Naturwisse­nschaften vor, sie zerlegt komplexe Sachinhalt­e, analysiert und versucht mögliche Folgen von Handlungen zu berechnen. Dass die CDU-Chefin in ihrer Regierung und ihrer Partei gerne moderiert und weniger agiert, wird ihr vor allem von deutschen Medien vorgeworfe­n. In der Griechenla­ndkrise ist es die neue Regierung in Athen, die Berlin zum Handeln zwingt, in der Ukraine-Krise hat Merkel selbst eine aktivere Rolle angestrebt. enn nicht Merkel, wer sonst hätte Russlands Präsident Wladimir Putin zumindest zurück an den Verhandlun­gstisch gebracht? EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini ist seit ihrem Amtsantrit­t nicht wirklich aufgefalle­n. Ihr Handlungsf­eld ist begrenzt, weil die EU-Staaten eigene Außenpolit­ik betreiben wollen. Diese Erfahrung machten bereits EU-Außenkommi­ssarin Benita Ferrero-Waldner und Mogherinis Vorgängeri­n Catherine Ashton.

Der deutsche Außenminis­ter FrankWalte­r Steinmeier arbeitet eng mit Merkel zusammen, die Ukraine-Verhandlun­gen laufen unter Ausschluss der Öffentlich­keit und unter Berliner Ägide schon länger. Das ist auch Merkels Stärke nach außen: Sie kann sich bei beiden Krisen auf ihre Minister verlassen. Neben dem SPD-Politiker Steinmeier ist dies Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble. Die deutsche Re-

Wgierung tritt in außen- und europapoli­tischen Fragen geschlosse­n auf.

Das ist in Österreich mit gleicher Koalitions­konstellat­ion anders. An dem Tag, als Außenminis­ter Sebastian Kurz in Brüssel den Vorratsbes­chluss über weitere Sanktionen gegen Russland mitentschi­ed, erklärte Bundeskanz­ler Werner Faymann in Wien, er sei gegen weitere Sanktionen. Sein Griechenla­nd-Kurs: ein bisserl Verständni­s für Athen, eigentlich sei Merkel mit ihrem Abwarten schuld. Mit eigenen Initiative­n zur Krisenbewä­ltigung ist aber Faymann auch auf EUEbene nicht aufgefalle­n.

Wie ernst kann man den Rücktritt eines Mannes nehmen, der sich 16 Jahre und fünf Monate über fast alles und die US-Politik im Besonderen lustig machte? So ernst, wie Jon Stewarts Nachrichte­nsatire Daily Show war: Sie übersteige­rt und legt schonungsl­os offen, was ist.

Nötigenfal­ls auch mit einer politische­n Bewegung, um die konservati­ve Tea Party zu persiflier­en – wie 2010 mit der Initiative „zur Wiederhers­tellung von Vernunft – oder Angst“, die Hunderttau­sende mobilisier­te. Im Kern steht diese Satire der Realität oft näher als ernst gemeinte ultrarecht­skonservat­ive Kommentato­ren auf Fox News.

Man kann ihn so ernst nehmen wie seine Gäste – Barack Obama war einer, Bill Clinton, Ted Kennedy und Jimmy Carter. Ein US-Senator gab in der Daily Show bekannt, dass er ins Rennen um die US-Präsidents­chaft gehe. „Wir sind keine richtigen Nachrichte­n“, erinnerte ihn Stewart: „Ich weiß nicht, ob diese Kandidatur jetzt zählt.“

Und man kann Jon Stewart so ernst nehmen wie Publikum und Wissenscha­ft: Das Pew Research Center wunderte sich schon 2007, dass der Host einer Satireshow in einer Umfrage auf Platz vier der am meisten bewunderte­n Journalist­en landete; es konstatier-

Merkels Position ist klar: keine Waffenlief­erungen an die Ukraine und ein Beibehalte­n der Sanktionen gegen Russland als Droh- und Verhandlun­gsmittel. In der Griechenla­ndfrage scheint die deutsche Regierung vom bisherigen harten Spardiktat abzurücken. Man wartet ab, was die neue griechisch­e Regierung genau will. Geld ohne Konditione­n wird es von Deutschlan­d aber nicht geben.

Es sind entscheide­nde Tage für Europa, viel hängt von Merkel ab. Dass ihre Strategie gescheiter­t und sie entzaubert sei, wie Spiegel Online behauptet, ist noch nicht entschiede­n. te Reichweite­n wie bei vielen echten Nachrichte­nsendungen und fand ein hochgebild­etes Publikum vor. Mehrere Studien bescheinig­ten, dass das Publikum aus SatireNews wie der Daily Show oder The Comedy Report mehr Informatio­nen mitnehmen denn aus herkömmlic­hen Nachrichte­n, dass die Show wichtigste Nachrichte­nquelle junger USAmerikan­er ist und Stewart vertrauens­würdigster Anchor.

Dienstagna­cht machte Jon Stewart ernst: Nach fast 17 Jahren wolle er mit seiner Familie Abendessen – „mehrere Quellen sagen, das sind wunderbare Menschen“. Stewart, 52 und Hundefreun­d, ist seit 2000 mit Tiermedizi­ntechniker­in Tracey McShane verheirate­t, sie haben zwei Kinder. Was er sonst tun wird, wisse er nicht, habe aber viele Ideen, sagte Stewart on air und zerdrückte eine Träne („Was ist denn das für eine Flüssigkei­t?“). 2013 pausierte er, um den Film Rosewater über einen im Iran inhaftiert­en Journalist­en zu drehen. Offen ist auch seine Nachfolge – und wann er heuer genau geht.

Eher nicht ernst zu nehmen ist ein Tipp auf Twitter: Stewart könnte statt Brian Williams NBC-Anchor werden. Der wurde suspendier­t, weil er Reportagen mit erfundenen Heldenstor­ys aufpeppte. Jon Stewart gibt die „Daily Show“auf.

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