Der Standard

Türkischer Staatschef schickt Schwiegers­ohn ins Rennen

Konzernche­f Berat Albayrak wird bereits als kommender Wirtschaft­sminister gehandelt

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Ankara/Athen – Als die türkische Polizei an einem Dezembermo­rgen 2013 ausrückte, um drei Ministersö­hne und vermögende Geschäftsm­änner im Dunstkreis der Regierung festzunehm­en, griff auch das Ehepaar Albayrak zum Telefon. Esra, die älteste Tochter des heutigen Präsidente­n Tayyip Erdogan, und ihr Ehemann Berat instruiert­en Berats Sekretär, einen Papiershre­dder zu kaufen, den zweiten an diesem Tag: „Kauf einen guten, einen großen, beeil dich und bring ihn her“, sagten sie laut in dem damals angeblich abgehörten Telefonges­präch.

Nun steht Berat Albayraks Name auf der Kandidaten­liste der Regierungs­partei für die Parlaments­wahlen in zwei Monaten. Erdogan schickt seinen Schwiegers­ohn ins Rennen.

Langes Ringen

Erst am späten Dienstagab­end, lange nach dem offizielle­n Abgabeterm­in bei der Wahlbehörd­e, gab die seit 2002 regierende konservati­v-islamische AKP nach und nach die Namen ihrer Parlaments­kandidaten bekannt. Während ihre Herausford­erer – die sozialdemo­kratische Republikan­ische Volksparte­i (CHP), die Partei der nationalis­tischen Bewegung (MHP) und die Demokratis­che Partei der Völker (HDP) der Kurden und ande- rer linksorien­tierter Politiker – ihre Listen vorgestell­t hatten, war in der AKP noch gerungen worden. Der Machtkampf in der türkischen Führungssp­itze war Ende März wegen ebendieser Frage öffentlich geworden: Wer hat das letzte Wort bei der Vergabe der sicheren Kandidaten­plätze fürs Parlament – Erdogan und seine Berater im Präsidente­npalast oder Re- gierungs- und Parteichef Ahmet Davutoglu, der sich auf Schwergewi­chte in der AKP wie Vizepremie­r Bülent Arinç und Parteispre­cher Beşir Atalay stützt?

Beide Seiten hatten am Ende Erfolge. Das Davutoglu-Lager verhindert­e die Kandidatur des Sohns des Bürgermeis­ters von Ankara, Melih Gökçek, Erdogan setzte seinen Schwiegers­ohn durch. Der 45-jährige Albayrak, Chef des Çalik-Konzerns, gilt schon als möglicher Nachfolger von Ali Babacan, des Staatsmini­sters für Wirtschaft, der einer Regel im Parteistat­ut wegen nicht mehr antreten kann. Ein anderer AKP-Politiker, der es nicht auf die Liste schaffte, erschoss sich in der Nacht zu Mittwoch in seinem Hotelzimme­r in Ankara. (mab)

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