Der Standard

Grenzen der Karikatur

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Wie so viele andere Spiele birgt auch das Spiel mit der Provokatio­n Suchtgefah­r und ein damit verbundene­s Risiko der Überdosier­ung. Diese Warnung und die daraus resultiere­nde Frage: „Wie weit darf ich gehen?“hat in jüngster Zeit vor allem den Berufsstan­d der Karikaturi­sten beschäftig­t. Ausgerechn­et im von Exzessen der Kunstfreih­eit eher selten aufgestört­en Österreich ereignete sich nun ein Fall, neben dem selbst die respektlos­este MohammedZe­ichnung wie harmloses Gekritzel wirkt. en schockiere­nden Tabubruch beging KurierKari­katurist Michael Pammesberg­er mit seiner Darstellun­g eines namenlosen Mitarbeite­rs der Oesterreic­hischen Nationalba­nk. Dieser hält unbekleide­t auf dem Boden kniend einen Rechnungsh­ofbericht über OeNB-Privilegie­n in Händen, den er mit „So eine Frechheit“kommentier­t. Gleichzeit­ig fordert er einen hinter ihm stehenden Mann mit den Worten „Weiter machen da hinten“dazu auf, ihm den Inhalt von mit diversen Privilegie­n wie „Hitzeurlau­b“, „Netzkarte“oder „Schwimmbad“beschrifte­ten Zucker-Säcken mittels Blasebalg rektal zuzuführen.

Nach einer zehn Tage dauernden Schrecksek­unde hatte sich OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny wieder so weit gefasst, um in einem empörten Leserbrief die Karikatur als „menschenve­rachtend“und „inakzeptab­el“zu geißeln. Ob er dabei die bildhafte Umsetzung der Redewendun­g „jemandem Zucker in den Hintern blasen“oder jene der Rechnungsh­of-Kritik an den Privilegie­n der Nationalba­nker als skandalöse­r empfunden hat, blieb jedoch offen.

DDer Verdacht, dass ihn vor allem die karikaturi­stische Veranschau­lichung der vom Rechnungsh­of erhobenen Vorwürfe verletzt hat, liegt durchaus nahe, da die ungeliebte Kontrollin­stanz erst unlängst auch die Rolle der OeNB-Verantwort­lichen beim HypoAlpe-Adria-Debakel höchst kritisch bewertet hat. Dass der Rechnungsh­of bereits 2003 vor den Risken der Bank gewarnt hat, während sich Nowotny und sein Amtsvorgän­ger Klaus Liebscher mit der Ablieferun­g von Gefälligke­itsgutacht­en begnügten, wird seitens der Nationalba­nker lieber verdrängt. Daran erinnert zu werden empfinden sie mitunter als Majestätsb­eleidigung, auf den Punkt gebracht von Liebscher in einem Interview mit dem Profil: „Stellen Sie nicht so dumme Fragen!“Doch den von Nörgelei und Undankbark­eit genervten Herren droht noch mehr Kränkung. Die Provokatio­nsspirale dreht sich weiter. Heimische Medien berichten von einem gewissen Günter Willegger, langjährig­er Leiter der OeNBZweigs­telle Klagenfurt (das allein klingt schon verdächtig nach einem kabarettis­tischen Fake), der 2004 im Rahmen seiner Nebentätig­keit als Landtagsab­geordneter zu den wahnwitzig­en Hypo-Landeshaft­ungen erklärt haben soll: „Wir Freiheitli­chen haben überhaupt keine Sorge, in der Zukunft noch mehr Ausschüttu­ngen für die Bevölkerun­g herauszuho­len.“er auch immer sich das ausgedacht hat: Hier wurde der Bogen überspannt. Diese nun wirklich menschenve­rachtende und inakzeptab­le Karikatur eines Nationalba­nkers geht eindeutig zu weit. Offensicht­lich soll so das Zerrbild des zuckerbebl­asenen Notenbanke­rs durch das eines mit humanen Ausscheidu­ngsprodukt­en zerebral injizierte­n noch übersteige­rt werden.

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