Schuld und Schulden
Ein Pappenstiel ist es nicht, was Griechenland da an Reparationszahlungen berechnet hat. 278,7 Milliarden Euro umfasst jene Summe, die Berlin Athen für alle Schäden und Schulden aus der NS-Besatzungszeit – samt Zins und Zinseszins – noch schulden soll.
Zum Vergleich: Im deutschen Bundeshaushalt sind für das laufende Jahr Ausgaben von 299,5 Milliarden Euro vorgesehen. Doch nicht nur aufgrund der hohen Summe ist jetzt schon klar, dass Berlin sich dieser Forderung nicht beugen wird. Ein ums andere Mal wiederholt die deutsche Regierung, dass die Frage von Entschädigungszahlungen rechtlich und politisch abgeschlossen sei.
Juristisch mag sie recht haben, die endgültige Klärung obläge ohnehin dem Internationalen Gerichtshof. Politisch und moralisch aber wünscht man sich mehr Sensibilität von den Deutschen. Unter seine NS-Vergangenheit wird das Land noch lange keinen Schlussstrich ziehen können.
Deutschland stelle sich seiner Verantwortung für die Verbrechen der Nationalsozialisten und sei sich bewusst, „welche Grausamkeiten wir angerichtet haben“– das sagte Angela Merkel zu Alexis Tsipras, als dieser in Berlin war. Die aberwitzig hohe Summe von 278,7 Milliarden Euro wird das griechische Volk natürlich nicht bekommen, das weiß es selbst. Aber auf eine Geste in Form eines von Deutschland finanzierten Versöhnungsprojektes sollte es – ungeachtet der Schuldendebatte – schon hoffen dürfen.
Dass es nicht funktionieren wird, war von Anfang an klar. Die Neue Mittelschule hat einen Geburtsfehler. Es ist absurd, das System einer Gesamtschule der Zehn- bis 14-Jährigen testen zu wollen, während die Gymnasien in der Unterstufe weiterhin bestehen bleiben. Dennoch wäre es ein fataler Fehler, die Neue Mittelschule jetzt wieder abzuschaffen. Damit droht die ÖVP in regelmäßigen Abständen. Kürzlich verkündete ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, dass die Fortsetzung der Neuen Mittelschule nicht garantiert sei.
Wenn die neue Schulform jetzt wieder eingestampft wird, hätte man die hunderten Millionen an Euro, die das Projekt gekostet hat, gleich beim Fenster rauswerfen können. Davon abgesehen wäre eine solche Entscheidung die denkbar schlechteste für die betroffenen Lehrer und Schüler.
Obwohl es in der öffentlichen Debatte oft heißt, dass bei der Neuen Mittelschule nur die Türschilder der Hauptschulen ausgetauscht wurden, ist die Einführung einer neuen Schulform neben der Zentralmatura die größte Änderung im österreichischen Bildungssystem seit Jahrzehnten. Die Lehrer müssen anders unterrichten und anders benoten. Im Idealfall haben sie viel Energie in die Umstellung auf neue Methoden des Unterrichtens investiert. Wenn man diese engagierten Lehrer jetzt zurück an den Start und in die Hauptschulen schickt, würde sie dies in hohem Maße frustrieren. Genau diese engagierten Lehrer braucht das System aber. Immerhin hat die Evaluierung der Neuen Mittelschule gezeigt, dass sie vor allem dort funktioniert, wo sich die Pädagogen für das neue System einsetzen. b es die ÖVP mit der Drohung einer Abschaffung der Neuen Mittelschule ernst meint, ist aber sowieso fraglich. Vielmehr versucht die Volkspartei wohl politisches Kapital aus den Schwierigkeiten des Koalitionspartners SPÖ mit dem Bildungsressort zu schlagen. Wenn das rote Vorzeigeprojekt nicht die erwarteten Erfolge bringt, kann sich wohl auch der ansonsten pragmatische Vizekanzler Mitterlehner ein bisschen Schadenfreude nicht verkneifen. Das ist verständlich, aber nicht angebracht. Anstatt damit zu drohen, bei der Bildungsreform rückwärtszugehen, sollte die ÖVP Vorschläge zu Änderungen bei der NMS bringen.
ODenn es ist unbestreitbar, dass die Neue Mittelschule weiterentwickelt werden muss. Die Evaluierung hat gezeigt, dass sie zwar mehr kostet, aber noch keine besseren Leistungen als die Hauptschule bringt.
Die aktuell beschlossenen Änderungen sind kleine Schritte in die richtige Richtung. So können die sechs zusätzlichen Stunden, die jeder Neuen Mittelschule zur Verfügung stehen, künftig flexibel und nicht nur in den Schwerpunktfächern eingesetzt werden. Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) will außerdem die Benotung vereinfachen. Darüber
Der ersten Frau, die seit Bestehen der Wiener MusikUni (immerhin seit 1817) zur Rektorin bestellt wurde, sind weder Musiktheorie noch -praxis fremd. Regula Rapp – 1961 in Konstanz geboren – war Chefdramaturgin an der Berliner Staatsoper Unter den Linden, wo Maestro Daniel Barenboim regiert. Sie war Gastdramaturgin bei den Salzburger Festspielen, wo sie Dirigent Nikolaus Harnoncourt und Regisseur Martin Kušej in Sachen Mozart beriet. Und auch das Opernhaus Zürich nutzte die dramaturgische Kompetenz der deutschen Musikwissenschafterin, die einst über die Klaviermusik des 18. Jahrhunderts promovierte.
Regula Rapp, die in Wien ab Oktober Werner Hasitschka ablöst und deren Bestellung zum Konflikt zwischen Uni-Senat (er wollte Vizerektorin Ulrike Sych berufen, die nun zurücktrat) und Uni-Rat führte, ist allerdings auch in Sachen Unimanagement versiert. Sie war Rektorin der Schola Cantorum Basiliensis (2005–2012); seit 2012 leitet sie in identer Funktion die Geschicke der Musikhochschule Stuttgart.
Ihre Vorstellung von zeitgemäßer Unilehre? In Stuttgart meinte sie: „Unser Angebot muss so gestaltet sein, dass Studierende durch unsere Ausbildung in die Lage versetzt werden, werden sich vor allem die Lehrer freuen; das bisherige System war mit sieben Noten viel zu kompliziert.
Weitere Reformen, die bei den Lehrern ansetzen, sind notwendig. Viele der Pädagogen stehen dem neuen Schultypus noch skeptisch gegenüber, man muss versuchen, sie von der Sinnhaftigkeit zu überzeugen. Am besten mit Weiterbildungen. Ein anderer Ansatz findet sich im Expertenpapier bezüglich der Schulverwaltungsreform: Sie schlagen vor, Lehrer für besondere pädagogische Leistungen der Schüler finanziell zu belohnen. Das könnte neue Anreize schaffen. gegen Ende eine Wahl zu treffen – nach dem Motto: Ich werde der einzige lebende Nachfolger von David Garrett oder ein zweiter Christoph Eschenbach.“
Studierende mögen also entscheiden, ob sie einem Popklassikgeiger nacheifern oder einem international etablierten Klassikkünstler. Das klingt zwar etwas unzeitgemäß, da gleichzeitige Erfolge in beiderlei Genres heute möglich sind. Rückwärtsgewandtheit will man Rupp aber nicht vorwerfen. Sie ist ja der Meinung, dass Studierende „so gut wie möglich auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden“müssen. Sie dürfte also um die Berufssituation der Jungen wissen, die stilistische Flexibilität ebenso erforderlich macht wie die Kunst des Selbstmanagements. Alles andere wäre ja verwunderlich. Rapps Berufung dürfte in Teilen auch einer argumentativ gut abgesicherten Selbstdarstellung zu verdanken sein.
Wie auch immer. Zur Freude über die neue Aufgabe kommt die Vorfreude auf Wien hinzu. Berlin empfand Rapp jedenfalls als große Bereicherung – „kulturell, politisch und gesellschaftlich“. Schließlich „liebe ich Großstädte mit ihren vielfältigen Anregungen über alles“. Und Wien – die kleine Großstadt – kann in dieser Hinsicht mithalten.
Regula Rapp ist neue Rektorin der Musik-Uni.