Reformstau auf dem Amtsweg
Die Verwaltungsreform passiert schrittweise – und mit wenig spektakulären Ergebnissen: Die Umsetzung der Verwaltungsgerichtsbarkeit – eine Forderung des Österreich-Konvents 2003–2005 – ist gelungen. Auf ein „Amt der Bundesregierung“muss man noch warten.
Die bedeutendste Verwaltungsreform, die es unter der Regierung Faymann II gegeben hat, trat wenige Tage nach ihrem Amtsantritt in Kraft: Die Einführung von Verwaltungsgerichten mit 1. Jänner 2014 war eine Leistung des ersten Kabinetts Faymann, das rund 120 Sonderbehörden – darunter etwa das Bundesvergabeamt oder die Datenschutzkommission – aufgelöst und deren Kompetenzen legistisch den Verwaltungsgerichten zugeordnet hat.
Diese Straffung der Verfahren führte auch zu einer Entlastung des Verfassungsgerichtshofs, der 2014 um ein Viertel weniger neue Verfahren zu bewältigen hatte. Allein der Bundesver-waltungsgerichtshof hat im Vorjahr 32.000 Verfahren übernommen (und davon gut 18.000 im ersten Jahr abschließen können), dazu kommen neun Landesverwaltungsgerichte.
Um zu verstehen, wozu es der neun Landesverwaltungsgerichte bedarf, die dem Bundesverwaltungsgericht im Rang gleichgesetzt sind (darüber sitzt als weitere Instanz der Verwaltungsgerichtshof), muss man das bundesstaatliche Prinzip der österreichischen Bundesverfassung bemühen: Österreich besteht eben aus neun Ländern mit eigener Verwaltungsstruktur und eigenen Zuständigkeiten in der Verwaltung, aber auch in der Gesetzgebung. 448 Landtagsabgeordnete tun zwi- schen Bregenz und Eisenstadt Dienst, sie wählen auch die 61 Mitglieder des Bundesrats, die eine Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung darstellen, die eigentlich Sache der 183 Nationalratsabgeordneten ist.
Ähnlich ist es auf der Seite der Vollziehung: Dem Bundeskanzler, seinen 13 Ministern und den beiden Staatssekretären stehen 77 Mitglieder von Landesregierungen gegenüber. Wobei vor allem die Landeshauptleute – im Volksmund oft recht unrepublikanisch „Landeskaiser“genannt – politisches Gewicht in die Waagschale werfen können.
Und zwar tendenziell immer mehr. So argumentiert etwa Peter Bußjäger vom Institut für Föderalismusforschung, dass der „kooperative Föderalismus“gerade mit dem Ende der schwarzblauen Koalition 2006 einen Aufschwung genommen habe: Insbesondere das Regierungsprogramm 2008–2013 habe die Länder in die Pflicht genommen – aber damit auch die Landeshauptleutekonferenz als Nebenregierung aufgewertet.
Wobei die Landeshauptleutekonferenz in keinem Gesetz steht. „Es gibt die Landeshauptleutekon- ferenz, weil niemand den Landeshauptleuten verbieten kann, sich zu treffen“, sagt Bußjäger spöttisch. Und er relativiert: „Der Einfluss der Landeshauptleutekonferenz ist so groß wie der Einfluss der jeweiligen Landeshauptleute in der eigenen Partei.“Dabei fällt ihm als Beispiel nicht die Achse von Erwin Pröll und Michael Häupl mit ihren Einflussmöglichkeiten in ÖVP und SPÖ ein, sondern eher der damalige Vorarlberger Landeshauptmann Martin Purtscher, der in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre eine treibende Kraft für Österreichs EU-Beitritt war. Nur über die Länder sei die Mehrheit für den Beitritt mobilisierbar gewesen.
Umgekehrt hütet sich die Bundespolitik, über die Interessen der Länder „drüberzufahren“– sind doch die Landeshauptleute nicht zuletzt deshalb mächtig, weil die Landesparteiorganisationen ähnlich föderalistisch organisiert sind wie die Republik: Ohne die Landesparteien kann keine Bundespartei einen Wahlkampf führen.
Zu diesem politisch relevanten Faktum kommt eines, das Föderalisten gern bringen, wenn sie von der Bundesebene auf die mangelnde Effizienz der länderweisen Aufsplitterung von Verwaltungsaufgaben hingewiesen werden: Die Länder, heißt es, organisierten ihre Verwaltung viel sparsamer als der Bund. Dies übrigens schon seit 1925. Damals wurde nämlich per Verfassungsgesetz festgelegt, dass die Verwaltung der Bundesländer in einem Amt der Landesregierung zu organisieren ist, dem ein Landesamtsdirektor vorsteht.
Dieses Organisationsschema hat sich auch die Koalition prinzipiell zum Vorbild genommen: Eine der ersten Ankündigungen der Regierung Faymann II war, dass man ein „Amt der Bundesregierung“nach dem Prinzip der Ämter der Landesregierung schaffen könnte. Das allerdings ist leichter gesagt als getan, weil sich auf Bundesebene unterschiedliche Verwaltungskulturen eingespielt haben – und zwar auch innerhalb einzelner Ministerien.
Ein Amt der Bundesregierung würde eine Reihe von Verwaltungstätigkeiten aus den Ministerien abziehen und zentral abwickeln: Das beginnt mit der Verwaltung und Zuteilung des Fuhrparks, es würde eine einheitliche IT-Infrastruktur ermöglichen und womöglich nicht nur die Personalverwaltung, sondern auch die Personalplanung zentral steuern.
Das aber würde die Bundesminister entmachten.
Föderalismusforscher Bußjäger denkt noch weiter: „Im Idealfall würde auch die Legistik zusammengelegt.“Damit wären die bestausgebildeten Juristen der jeweiligen Ministerialbürokratie entzogen, auch wenn in der Praxis doch die Legisten mit einer Spezialisierung auf Schulfragen die Gesetze für das Unterrichtsressort und andere Legisten mit Spezialisierung für Verkehrsfragen dem Verkehrsministerium zuarbeiten würden. Ob es aber je so weit kommt, dass die Präsidialabteilungen der Ministerien aufgelöst und in einem Superamt zusammengefasst werden, ist nicht abzusehen. Gemeinsam mit dem damaligen Finanzminister Michael Spindelegger hatte Bundeskanzler Werner Faymann im Vorjahr angekündigt, 2016 werde das Amt der Bundesregierung umgesetzt. Inzwischen sind die Ankündigungen – zuletzt als Gegenfinanzierung der Steuerreform – weniger konkret.
Formelle Verhandlungen mit der Gewerkschaft habe es dazu auch noch nicht gegeben – auch wenn Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer stets darauf verweist, dass seine Gewerkschaft überhaupt nichts gegen eine sinnvolle Verwaltungsreform habe. Wie weit man – gerade im Hinblick auf das Amt der Bundesregierung – davon noch entfernt ist, macht er daran fest, dass der Bund nicht einmal einen gemeinsamen Internetauftritt hat, sondern jedes Ministerium sich seinen eigenen gönnt.
Aber die Milliardeneinsparungen, die vonseiten der Wirtschaft in der öffentlichen Verwaltung vermutet werden, sieht Neugebauer nicht. Österreichs öffentlicher Dienst habe nur einen Anteil von 10,7 Prozent an unselbstständig Erwerbstätigen, im OECDSchnitt seien es 15,5 und in Ländern wie Schweden 30 Prozent: „Wir kommen mit sehr wenigen Leuten aus und leisten Hochwertiges. Da sind wir schon am Ende der Fahnenstange.“
Gastkommentar S. 27,
Es gibt die Landeshauptleutekonferenz, weil niemand den Landeshauptleuten verbieten kann, sich zu treffen. Peter Bußjäger
Wir kommen mit sehr wenigen Leuten aus und leisten Hochwertiges. Da sind wir am Ende der Fahnenstange. Fritz Neugebauer