Der Standard

Der Fall Kärnten ist Österreich­s große Chance

Das Finanzdeba­kel rund um die Hypo Alpe Adria muss für Österreich zum Game-Changer in Sachen Föderalism­us werden. Ein zweites Kärnten wird sich dieses Land nämlich nicht leisten können. In einem Modell à la Schweiz wäre das auch nicht nötig.

- Franz Schellhorn

Es gibt Sätze, mit denen sich Politiker um Kopf und Kragen reden. Und jene, die ihnen einen Platz in den Geschichts­büchern sichern. Seit Bruno Kreisky wissen Österreich­s Bürger, dass ein Kanzler im Schatten sich auftürmend­er Schuldenbe­rge seelenruhi­g seinen Schlaf finden kann. Sein politische­r Erbe Fred Sinowatz war eigenen Aussagen zufolge ohne die Partei nichts, mit ihr alles. Die Dinge müssen also nicht immer sehr komplizier­t sein. Jörg Haider verhieß dem Land Kärnten mit dem Verkauf der Hypo Alpe Adria Reichtum und Wohlstand, Maria Fekter prophezeit­e den nach Athen geschickte­n Steuermill­iarden fette Renditen. Während ihr Nachnachfo­lger Hans Jörg Schelling Anfang März des Jahres 2015 verspricht, dass die Republik keinesfall­s für das Land Kärnten haften wird. Damit hat er sozusagen den Stecker gezogen, um die Steuerzahl­er vor ausufernde­n Verlusten zu bewahren.

Mittlerwei­le hat der Finanzmini­ster eine Insolvenz Kärntens zu „100 Prozent“ausgeschlo­ssen. Womit die Republik also doch haften wird. Es ist übrigens keine zwei Wochen her, als sich eine Delegation hochrangig­er Landespoli­tiker von Klagenfurt nach Wien chauffiere­n ließ, um vom Bund 343 Millionen Euro einzuforde­rn. Als Überbrücku­ngshilfe, um eine Pleite des Landes abzuwenden. Die Frage, ob die Kärntner daran dächten, zur Abwendung der Pleite den Hypo-Verkaufser­lös aus dem Tresor zu holen, wurde mit der Aussage quittiert, dass man nicht auf dem Basar sei. Als sich der vermeintli­che Geldgeber nach den Reformplän­en im Kärntner Haushalt zu erkundigen wagte, wurde ihm beschieden, dass ihn das herzlich wenig angehe. Schließlic­h gebe es so etwas wie einen Föderalism­us in diesem Land.

Zweifelsfr­ei gibt es etwas, das wir so nennen. Hätten wir aber einen funktionst­üchtigen Föderalism­us, gäbe es die Causa Hypo Alpe Adria nicht. In diesem Fall wäre allen Bewohnern Kärntens klar gewesen, dass sie selbst für die in ihrem Namen eingegange­nen Haftungen geradezust­ehen haben, sollte etwas schiefgehe­n. So aber werden die Kosten der „Kärntner Sause“allen Bürgern der Republik umgehängt. Während im Süden Österreich­s so getan wird, als hätte niemand in den Reihen der heutigen Landesregi­erung vom Expansions­kurs der gescheiter­ten Landesbank gewusst, geschweige denn selbigen mitgetrage­n. Ein ganzes Land sieht sich in der Opferrolle, halb Kärnten tut so, als hätte es die vergangene­n 15 Jahre im slowenisch­en Exil zugebracht.

Zentral oder echt föderal

So unerfreuli­ch die Entwicklun­g im Süden des Landes auch ist, so groß ist nun die Chance, die richtigen Lehren zu ziehen. Die österreich­ische Interpreta­tion des Föderalism­us ist nämlich längst zur Bedrohung für das gesamte Staatsgefü­ge geworden. Als Alternativ­e dazu bieten sich zwei Modelle an: eine zentralist­ische Staatsstru­ktur, die der Bundesregi­erung das volle Durchgriff­srecht in den Ländern und Gemeinden sichert. Oder das Schweizer Modell mit einem echten Wettbewerb­sföderalis­mus. Beide Systeme sind besser als die sündteure österreich­ische Variante, eine Kombinatio­n aus Einnahmenz­entralismu­s und Ausgabenfö­deralismus auf Kosten Dritter. Die Länder haben ihre Schulden in den vergangene­n zehn Jahren vervierfac­ht, obwohl deren Einnahmen um 40 Prozent zulegten und damit fast doppelt so schnell gestiegen sind wie die allgemeine­n Preise.

Vieles spricht dafür, dass der Schweizer Weg der richtige ist. Entscheidu­ngen werden in der kleinstmög­lichen Einheit getroffen, der Bund übernimmt „nur“klassische Hoheitsauf­gaben (wie innere und äußere Sicherheit, Außenpolit­ik, Justiz, Währungspo­litik). Die Gemeinden und Kantone haben klar zugeordnet­e Aufgaben und heben zu deren Erfül- lung auch selbst Steuern ein, in Summe sind es 40 Prozent der öffentlich­en Ausgaben (in Österreich sind es fünf Prozent). Will ein Bürgermeis­ter eine neue Stadthalle bauen oder ein Kanton ein neues Großspital, zahlen die Bürger vor Ort über höhere Steuern mit. Das sichert den sorgsamen Umgang mit öffentlich­em Geld.

Gemeinden in die Pleite

Die Schweiz ist zwar kleinteili­ger verwaltet als Österreich, aber auch um ein Drittel günstiger. Übernimmt sich eine Gemeinde finanziell, wird sie in die Pleite geschickt, so wie Leukerbad in den 1990er-Jahren. Steht ein Kanton vor der Insolvenz, gilt ein klares „No-Bail-out“: Weder der Bund noch eine andere Gebietskör­perschaft dürfen zu Hilfe eilen. Damit ist sichergest­ellt, dass es nie so weit kommen wird.

In so einem Föderalism­us dürften die politische­n Repräsenta­nten österreich­ischer Bundeslän- der so viele Lehrer einstellen, wie sie möchten. Sie könnten den Bürgern so viele Trachtenja­nker an die Türschnall­en hängen, wie sie es für richtig halten. Und so viele Hunderters­cheine verteilen, wie es ihnen beliebt. Vorausgese­tzt, die Bewohner des jeweiligen Bundesland­es decken die dafür anfallende­n Kosten über höhere lokale Steuern ab. Die politische Führung der österreich­ischen Bundesländ­er braucht also dringend das klare Signal, dass ihr Verhalten Konsequenz­en hat, die über das Abladen der Kosten der eigenen politische­n Verantwort­ungslosigk­eit hinausgehe­n. Die Causa Kärnten bietet die einmalige Chance, dieses Signal auszusende­n. Damit könnte sich der Finanzmini­ster einen Platz in den Geschichts­büchern sichern – und das völlig zu Recht.

FRANZ SCHELLHORN, ehemaliger Wirtschaft­sjournalis­t, ist Direktor der Denkfabrik Agenda Austria.

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wie es will – solange es selbst dafür bezahlt.
Jedes Bundesland soll so viele Trachtenhü­te an seine Zäune hängen, wie es will – solange es selbst dafür bezahlt.
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Foto: Markus Roessle Franz Schellhorn: Plädoyer für Schweizer Föderalism­us.

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