Belegpflicht für die Regierungsarbeit
Die Regierung hat ihr fünf Milliarden Euro schweres Steuerpaket in Begutachtung geschickt und neue Details bekanntgegeben. Kunden müssen künftig bei der Betrugsbekämpfung mithelfen.
Von „Abfederungen“sprach ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling, „Präzisierungen“nannte es sein Parteikollege Reinhold Mitterlehner. Große Änderungen brachte der Gesetzesentwurf zur Steuerreform, den die Koalition am Dienstag in Begutachtung schickte, jedenfalls nicht mehr. Bei einigen Punkten musste der vor rund zwei Monaten vorgelegte Ministerratsvortrag dann aber doch umgemodelt werden, noch am Dienstag wurde an technischen Feinheiten gefeilt.
Am meisten Staub wirbelten dabei einmal mehr die geplanten Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung auf: Konsumenten werden in Zukunft dazu verpflichtet sein, beim Einkauf einen Kassenbeleg entgegenzunehmen. Wer diesen jedoch gleich nach Verlassen des Geschäftes wegwerfe, habe nicht mit Konsequenzen zu rechnen, erklärte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) beim Ministerrat. Für ihn ist das „keine unübliche Regelung“, Ähnliches gelte etwa auch in Italien. „Ich habe nie gehört, dass ein Tourist bestraft wurde, weil er einen Zettel doch liegenlässt.“Einig über die konkrete Ausgestaltung war sich die Regie- rung offensichtlich bis zuletzt nicht. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) erklärte, dass Kunden den Beleg in Zukunft bis zum Verlassen des Geschäfts bei sich behalten müssen. Noch am Morgen sei im Raum gestanden, ob die Regelung stattdessen für einen Umkreis von 500 Metern um das Geschäft gelten solle. Zweck der Maßnahme sei jedenfalls sicherzustellen, dass registrierkassenpflichtige Unternehmen auch wirklich alle Belege ausstellen.
Goodies für SPÖ und ÖVP
Daneben haben beide Regierungsparteien für sie wichtige Änderungen durchgebracht – auch wenn beide nicht von „Nachschärfungen“sprechen wollten. Faymann freute sich, dass die zeitliche Vorziehung der Negativsteuererhöhung Vorteile für rund eine Million Arbeitnehmer bringe, Pendler eingerechnet, sogar 1,4 Millionen Menschen. Weil die neuen Berechnungsregeln nun rückwirkend mit 1. 1. 2015 gelten, können sich Personen mit weniger als 11.000 Euro Jahreseinkommen schon beim nächstjährigen Jahresausgleich bis zu 220 statt wie bisher bis zu 110 Euro für ihre Sozialversicherung gutschreiben lassen. 2016 wird dann nochmal erhöht, auf dann 400 Euro.
Das Budget werde laut Schelling dadurch im kommenden Jahr mit 50 Millionen Euro zusätzlich belastet. Dabei handle es sich aber nur um einen Vorzieheffekt, Lücke gebe es keine. Kritik an der Verlässlichkeit der Gegenfinanzierung entgegnete der Finanzminister, es sei bei der Ausarbeitung konservativ gerechnet worden.
Gerade einmal fünf Millionen Euro weniger Steuereinnahmen bringt hingegen die Deckelung der Grunderwerbsteuer bei Betriebsübergaben, die die ÖVP in den Entwurf hineinreklamierte. Außerdem neu: Die Mehrwertsteuererhöhung tritt auf Drängen der Gastronomie teilweise erst später in Kraft. Wer vor 1. September für das kommende Jahr bucht, für den soll noch der alte Steuersatz von zehn Prozent gelten.
Bei der Erhöhung der Kapitalertragsteuer und der Einführung des Kontenregisters wird über die notwendige Zweidrittelmehrheit verhandelt – und zwar nur mit den Grünen, wie Schelling sagte. Von den anderen Oppositionsparteien habe es kein klares Ja zu Verhand- lungen gegeben. Am 16. Juni sollen die rund 40 Entwürfe im Ministerrat beschlossen werden.
„Der Verhandlungsspielraum ist ausgereizt“, erteilte Schelling Änderungswünschen eine Absage. Kritik ließ trotzdem nicht lange auf sich warten: FPÖ, Grüne, Team Stronach und Neos sehen keine wirksamen Maßnahmen zur Entlastung der Bürger. Der ÖGB vermisst die automatische Arbeitnehmerveranlagung, die Wirtschaftskammer fordert Entschärfungen bei Kontenöffnungen und Registrierkassen.