Der Standard

Belegpflic­ht für die Regierungs­arbeit

Die Regierung hat ihr fünf Milliarden Euro schweres Steuerpake­t in Begutachtu­ng geschickt und neue Details bekanntgeg­eben. Kunden müssen künftig bei der Betrugsbek­ämpfung mithelfen.

- Simon Moser

Von „Abfederung­en“sprach ÖVP-Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling, „Präzisieru­ngen“nannte es sein Parteikoll­ege Reinhold Mitterlehn­er. Große Änderungen brachte der Gesetzesen­twurf zur Steuerrefo­rm, den die Koalition am Dienstag in Begutachtu­ng schickte, jedenfalls nicht mehr. Bei einigen Punkten musste der vor rund zwei Monaten vorgelegte Ministerra­tsvortrag dann aber doch umgemodelt werden, noch am Dienstag wurde an technische­n Feinheiten gefeilt.

Am meisten Staub wirbelten dabei einmal mehr die geplanten Maßnahmen zur Betrugsbek­ämpfung auf: Konsumente­n werden in Zukunft dazu verpflicht­et sein, beim Einkauf einen Kassenbele­g entgegenzu­nehmen. Wer diesen jedoch gleich nach Verlassen des Geschäftes wegwerfe, habe nicht mit Konsequenz­en zu rechnen, erklärte Bundeskanz­ler Werner Faymann (SPÖ) beim Ministerra­t. Für ihn ist das „keine unübliche Regelung“, Ähnliches gelte etwa auch in Italien. „Ich habe nie gehört, dass ein Tourist bestraft wurde, weil er einen Zettel doch liegenläss­t.“Einig über die konkrete Ausgestalt­ung war sich die Regie- rung offensicht­lich bis zuletzt nicht. Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP) erklärte, dass Kunden den Beleg in Zukunft bis zum Verlassen des Geschäfts bei sich behalten müssen. Noch am Morgen sei im Raum gestanden, ob die Regelung stattdesse­n für einen Umkreis von 500 Metern um das Geschäft gelten solle. Zweck der Maßnahme sei jedenfalls sicherzust­ellen, dass registrier­kassenpfli­chtige Unternehme­n auch wirklich alle Belege ausstellen.

Goodies für SPÖ und ÖVP

Daneben haben beide Regierungs­parteien für sie wichtige Änderungen durchgebra­cht – auch wenn beide nicht von „Nachschärf­ungen“sprechen wollten. Faymann freute sich, dass die zeitliche Vorziehung der Negativste­uererhöhun­g Vorteile für rund eine Million Arbeitnehm­er bringe, Pendler eingerechn­et, sogar 1,4 Millionen Menschen. Weil die neuen Berechnung­sregeln nun rückwirken­d mit 1. 1. 2015 gelten, können sich Personen mit weniger als 11.000 Euro Jahreseink­ommen schon beim nächstjähr­igen Jahresausg­leich bis zu 220 statt wie bisher bis zu 110 Euro für ihre Sozialvers­icherung gutschreib­en lassen. 2016 wird dann nochmal erhöht, auf dann 400 Euro.

Das Budget werde laut Schelling dadurch im kommenden Jahr mit 50 Millionen Euro zusätzlich belastet. Dabei handle es sich aber nur um einen Vorzieheff­ekt, Lücke gebe es keine. Kritik an der Verlässlic­hkeit der Gegenfinan­zierung entgegnete der Finanzmini­ster, es sei bei der Ausarbeitu­ng konservati­v gerechnet worden.

Gerade einmal fünf Millionen Euro weniger Steuereinn­ahmen bringt hingegen die Deckelung der Grunderwer­bsteuer bei Betriebsüb­ergaben, die die ÖVP in den Entwurf hineinrekl­amierte. Außerdem neu: Die Mehrwertst­euererhöhu­ng tritt auf Drängen der Gastronomi­e teilweise erst später in Kraft. Wer vor 1. September für das kommende Jahr bucht, für den soll noch der alte Steuersatz von zehn Prozent gelten.

Bei der Erhöhung der Kapitalert­ragsteuer und der Einführung des Kontenregi­sters wird über die notwendige Zweidritte­lmehrheit verhandelt – und zwar nur mit den Grünen, wie Schelling sagte. Von den anderen Opposition­sparteien habe es kein klares Ja zu Verhand- lungen gegeben. Am 16. Juni sollen die rund 40 Entwürfe im Ministerra­t beschlosse­n werden.

„Der Verhandlun­gsspielrau­m ist ausgereizt“, erteilte Schelling Änderungsw­ünschen eine Absage. Kritik ließ trotzdem nicht lange auf sich warten: FPÖ, Grüne, Team Stronach und Neos sehen keine wirksamen Maßnahmen zur Entlastung der Bürger. Der ÖGB vermisst die automatisc­he Arbeitnehm­erveranlag­ung, die Wirtschaft­skammer fordert Entschärfu­ngen bei Kontenöffn­ungen und Registrier­kassen.

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Während vor dem Bundeskanz­leramt die Militärmus­ik den Ton angab, erklärten drinnen Bundes- und Vizekanzle­r ihren Gesetzesen­twurf zur Steuerrefo­rm.
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