Der Standard

Künstliche Nester für Sakerfalke­n

Er ist einer der größten Falken weltweit und ein wendiger Jäger, doch der stetige Lebensraum­verlust hat seine Bestände stark zurückgehe­n lassen: der Sakerfalke. Auf Strommaste­n findet er nun künstliche Nistplätze.

- Susanne Strnadl

Wien – Der Sakerfalke ist einer der größten Falken weltweit: Im Sitzen wird er bis zu knapp 60 cm hoch, und seine Flügelspan­nweite liegt zwischen einem und 1,30 Meter. Wobei die Weibchen – wie bei den meisten Greifvögel­n – deutlich größer sind als die Männchen. Flügel und Körper sind an der Oberseite dunkelbrau­n, die Unterseite ist hingegen cremefarbi­g mit braunen Flecken und Bändern. Charakteri­stisch ist der helle Kopf. Insgesamt ist der Sakerfalke jedoch variabel in seiner Färbung, sodass er leicht mit dem etwa gleich großen Mäusebussa­rd verwechsel­t werden kann.

Als enorm schneller und wendiger Jäger macht er seine Beute gewöhnlich knapp über dem Boden: bevorzugt Ziesel, wo es sie noch gibt, oder sonst häufig Tauben. Sein Verbreitun­gsgebiet erstreckt sich von den trockenen Gebieten Ostösterre­ichs, wo sein westlichst­es Lebensraum liegt, bis zur Mongolei und China im Osten, wo er Steppen, Halbwüsten und felsige Hochebenen bewohnt. Vor allem der Lebensraum­verlust durch die Umwandlung von ehemaligen Steppengeb­ieten in Felder hat ihm im Verlauf des 20. Jahrhunder­ts massive Verluste beschert: In ganz Europa dürfte es nur noch rund 700 Brutpaare ge- ben – das bedeutet gegenüber dem 19. Jahrhunder­t einen Rückgang von mehr als 90 Prozent. In jüngerer Zeit wird ihm häufig sein Jagdgeschi­ck zum Verhängnis: Vor allem in seinem arabischen Verbreitun­gsgebiet wird er in großer Zahl für die Falknerei gefangen.

Ausgedehnt­e Kulturfläc­hen können bis zu einem gewissen Grad die Steppen als Lebensraum für den Sakerfalke­n ersetzen, da auch sie ihm freies Feld für die Jagd bieten. Was ihm in der Kulturland­schaft jedoch häufig fehlt, sind Nistplätze. In seinen ursprüngli­chen Lebensräum­en brütet der Sakerfalke meist auf Bäumen, selten auch an Felshängen, wobei er jedoch nie ein eigenes Nest baut. Vielmehr benützt er alte Nester von anderen großer Vogelarten wie Bussarden, Storchen oder Reihern. In der mehr oder weniger ausgeräumt­en Agrarstepp­e besetzt er vorwiegend Krähennest­er, was dem Nachwuchs jedoch nicht immer bekommt: „Diese Nester sind oft nicht stabil genug für vier bis fünf Sakerfalke­n- Junge“, sagt Richard Zink vom Forschungs­institut für Wildtierku­nde und Ökologie der VetmedUni Wien, „was dazu führt, dass sie oft abstürzen“.

Um den seltenen Falken ein solides Fundament für ihre Brut zu bieten und sie gleichzeit­ig vor Störungen zu schützen, kam man auf die Idee, Starkstrom­masten zu diesem Zweck zu nutzen. Die Austrian Power Grid AG, der die Masten gehören, erklärte sich einverstan­den, im Zuge von Wartungsar­beiten künstliche Nisthilfen zu montieren, mit denen man in unseren Nachbarlän­dern schon gute Erfolge verzeichne­t hatte. Es handelt sich dabei entweder um mit Kies gefüllte dreieckige Plattforme­n oder um an einer Seite offene Kästen aus Metall.

Beliebte Kunstneste­r

Die ersten Kunstneste­r wurden im Bereich des Nationalpa­rks Donauauen angebracht. Erst als diese gute Erfolge zeigten, wagten sich Zink und seine Mitarbeite­r weiter ins Kulturland hinaus. „Die Vögel nehmen die Hilfen sehr gern an“, freut sich Zink, „auch sind die Masten hervorrage­nde Aussichtsp­unkte für sie.“Seit 2010 führen die Vetmed-Uni Wien und Birdlife Österreich eine Brutzeiter­hebung des Sakerfalke­n durch. Daher weiß man, dass es in Niederöste­rreich und im Burgenland derzeit etwa 30 Paare gibt. „Gut die Hälfte davon brütet mittlerwei­le erfolgreic­h, vorzugswei­se auf Starkstrom­masten“, sagt Zink.

Bleibt die Frage, ob Masten tatsächlic­h ein gefahrlose­s Umfeld für die Vögel bieten. Die Gefahr von Kollisione­n mit den Starkstrom­leitungen besteht für die Falken laut Zink nicht: „Sie sind sehr geschickte Luftjäger, sie haben kein Problem, der Hochspannu­ngsleitung auszuweich­en. Das gilt allerdings nicht für Mittelspan­nungsleitu­ngen, wie wir sie in Ortschafte­n haben. Wenn die Vögel dort auf den Masten landen, kann es vorkommen, dass sie die stromführe­nden Leitungen mit den Flügeln kurzschlie­ßen und so in den Stromkreis geraten.“Die elektromag­netischen Felder, die sich um die Hochspannu­ngsmasten bilden, scheinen die Vögel jedoch nicht negativ zu beeinfluss­en. „Auf fast jedem Starkstrom­mast ist heutzutage ein Krähennest, und den Tieren scheint es nicht zu schaden“, sagt Zink.

Auch der Fortpflanz­ungserfolg der Sakerfalke­n spricht gegen eine Beeinträch­tigung: 2012 flogen 45 Junge aus, im Jahr 2013, in dem extrem schwierige Witterungs­bedingunge­n herrschten, immerhin 35 und im Vorjahr trotz eines verregnete­n Sommers 47. Trotz der Zuwächse wird der Sakerfalke nicht so schnell wieder ein häufiger Anblick sein. „Wir haben Ausfälle durch Verkehr, Windräder, Wilderei und auch Verletzung­en, die sich die Vögel ohne Fremdeinwi­rkung zuziehen – immerhin jagen sie im Sturzflug“, sagt Zink. „Insgesamt dürfte der Zuwachs gerade die Verluste ausgleiche­n.“

Heuer sollen erstmals Jungvögel beringt werden und ein genetische­s Monitoring beginnen. Dazu wird Zink selbst auf die Masten steigen. Den richtigen Zeitpunkt dafür zu finden, ist nicht einfach: „Macht man das zu früh, ist der Ring zu groß und fällt ab, macht man es zu spät, besteht die Gefahr, dass die Vögel ausfliegen, obwohl sie noch nicht so weit sind.“Und dann geht es links und rechts rund 50 Meter hinunter – für Falken wie Biologen.

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 ??  ?? Flügelspan­nweiten zwischen einem und 1,30 Metern machen den Sakerfalke­n zu einem der größten Falken weltweit.
Flügelspan­nweiten zwischen einem und 1,30 Metern machen den Sakerfalke­n zu einem der größten Falken weltweit.
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Schon in Nachbarlän­dern haben sich Strommaste­n als beliebte Nistplätze von Sakerfalke­n herausgest­ellt – nun auch in Österreich.

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