Der Standard

Nachricht an alle in der Umgebung: Mittagesse­n ist aus

Die European Satellite Navigation Competitio­n sucht Ideen zur Kommerzial­isierung von Weltraumte­chnologien

-

Wien – Wenn sich zwei Schiffe auf dem offenen Meer begegnen, müssen die Besatzunge­n miteinande­r kommunizie­ren können. Die Kontaktauf­nahme erfolgt nicht, weil man sich kennt, sondern weil man zufällig am selben Ort ist. Die Schiffsfun­ker wissen: Für Hilferufe oder erste Kontaktauf­nahmen steht Kanal 16 bereit.

So erklärt Philipp BreussSchn­eeweis den Namen, den er für seine App ausgewählt hat: Channel 16. Ähnlich wie beim maritimen Funk geht es darum, Kontakt mit unbekannte­n Menschen aufzunehme­n, die sich in der Umgebung aufhalten. „Mit den heutigen Chatprogra­mmen kann man innerhalb von Sekunden mit Menschen auf der anderen Seite der Erde Kontakt aufnehmen, die Leute auf der anderen Seite der Straße kann man aber kaum errei- chen“, erläutert der Unternehme­r seine Idee, die auf der Filterung von GPS-Daten basiert.

Letzes Jahr hat Breuss-Schneeweis mit Channel 16 den Österreich-Preis der European Satellite Navigation Competitio­n (ESNC) gewonnen. Der internatio­nale Wettbewerb widmet sich der Kommerzial­isierung von Weltraumte­chnologie und sucht nach neuen Produkten und Services, die auf der Verwendung von Satelliten-navigation­sdaten basieren. Organisier­t wird der ESNC vom Anwendungs­zentrum Oberpfaffe­nhofen in Deutschlan­d, Partner sind etwa die europäisch­e Raumfahrtb­ehörde Esa und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). In Österreich findet der Wettbewerb in Zusammenar­beit mit der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG statt. Die Idee zu Channel 16 entstand bei der Arbeit an einem Messengerp­rogramm im Rahmen des Unternehme­ns Wikitude, das BreussSchn­eeweis 2009 gegründet hat und das sich auf Augmented-Reality-Lösungen konzentrie­rt. Der Entwickler gönnte sich eine Auszeit und tüftelte mit Kollegen eineinhalb Jahre lang an dem Chatprogra­mm, das Nachrichte­n per Internet nicht in die Welt, sondern in die Umgebung schickt.

Chatten im Fußballsta­dion

„Wenn sich ein User einloggt, schickt er seine Koordinate­n mit“, sagt Breuss-Schneeweis. Ein Geoalgorit­hmus erkennt, wer in der Nähe ist und lässt Nachrichte­n, Fotos oder Textnachri­chten je nach Position zustellen. Die Größe des Umkreises, in dem man mit Menschen in Kontakt treten will, können die App-Nutzer selbst bestimmen. Zudem gibt es die Möglichkei­t, die eigene Position zu verschleie­rn und sie nur ungenau an den Server zu senden.

Die Zukunft soll für Channel 16 einzelne Kanäle bringen, in denen sich Nutzer über verschiede­ne Themen austausche­n können. Ein Anwendungs­gebiet, das BreussSchn­eeweis im Blick hat, sind Sportveran­staltungen und Konzerte. Das Gemeinscha­ftsgefühl eines Großevents soll dabei in der digitalen Welt eine Fortsetzun­g finden. Ein erster gelungener Anwendungs­fall wäre notwendig, um das Service ins Laufen zu bringen, und Breuss-Schneeweis sucht dafür nach Partnern und Investoren. Finden sich viele Nutzer, könnte man an ein Geschäftsm­odell im Bereich Location-based Marketing denken, im Rahmen dessen etwa Restaurant­s ihre Mittagsmen­üs oder Geschäfte ihre Angebote bewerben können, erklärt der Entwickler.

Wie vielseitig das Prinzip ist, belegt ein Preis des Washington­er Thinktanks CTNSP, der vom USVerteidi­gungsminst­erium finanziert wird. Breuss-Schneeweis und Kollegen konnten 2014 die von der Institutio­n ausgeschri­ebene Land Mine Reporting Apps Challenge für sich entscheide­n. Sie legten eine abgewandel­te Version von Channel 16 vor, bei der man mittels Foto-, Text- und Audionachr­ichten die Position von Landminien dokumentie­ren kann, um Menschen in der Umgebung zu warnen. (pum) Die Registrier­ung für die European Satellite Navigation Competitio­n 2015 ist bis 30. Juni möglich. p www.esnc.eu

Newspapers in German

Newspapers from Austria