Der Standard

Befürworte­r und Gegner blockieren einander gegenseiti­g

Die EU-Linie in Sachen Gentechnik ist uneinheitl­icher denn je; dies nervt sogar die US-Verhandler

- Johanna Ruzicka

Wien – Die extrem verfahrene Situation in der EU hinsichtli­ch der Gentechnik in der Landwirtsc­haft und infolgedes­sen auch der Lebensmitt­el wird rund um die Verhandlun­gen bezüglich TTIP nicht einfacher.

Von einem einheitlic­hen Auftreten der 28 Mitgliedss­taaten der EU in Sachen Gentechnis­ch Veränderte­r Organismen (GVO) gegenüber den USA ist man weiter entfernt denn je. Der US-amerikanis­che Handelsver­treter Michael Froman meinte kürzlich etwas genervt, dass eine „solche Strategie nicht konstrukti­v“sei.

Die Situation ist folgende: Als mit Jahreswech­sel die Frage, ob ein EU-Mitgliedss­taat den Anbau mit gentechnis­ch veränderte­m Saatgut verbieten kann, auf nationale Ebene zurückverw­iesen wurde, wurde dies von Ländern wie Österreich begrüßt. Von einem Erfolg jahrelange­r Verhandlun­gen war die Rede. Und von einem Paradigmen­wechsel. Schließlic­h kann seither ein EU-Staat den Anbau verbieten, obwohl das Saatgut innerhalb der ganzen EU zugelassen wurde und eine Risikobewe­rtung der Lebensmitt­elbehörde EFSA vorliegt.

Genannt wird die Möglichkei­t, in diesem legistisch­en Umfeld ein nationales Anbauverbo­t zu setzen, „Opt-out“. Länder, die GVOAnbau trotzdem zulassen, müssen dabei ein Übergreife­n auf andere Gebiete verhindern.

Damit aber war noch nicht aller Tage Abend, gentechnis­ch gesehen: Denn als die EU-Kommission im April eine ganz ähnliche Opt- out-Lösung für den Import von GVO-Lebensmitt­eln, ja sogar GVO-Futtermitt­eln vorschlug, war Feuer am Dach: In seltener Einigkeit kritisiert­en Agrarpolit­iker und Vertreter von Umweltorga­nisationen den Vorschlag der EUKommissi­on.

Denn damit würde den Mitgliedss­aaten mehr Entscheidu­ngsfreihei­t gegeben werden, erklärte Agrarminis­ter Andrä Rupprechte­r. Der Vorschlag sei „eine Mogelpacku­ng und nur scheinbar ein Schritt nach vorn“. Genmanipul­ierte Pflanzen würden nämlich in der EU „gegen den Willen der Mehrheit der Mitgliedss­taaten und des EU-Parlaments zugelassen“. Das Zulassungs­verfahren per se gehörte verschärft, so der Tenor seither unter Agrarpolit­ikern und GVO-Gegnern.

Allein Österreich importiert jährlich 400.000 Tonnen von gentechnis­ch veränderte­m Soja und Sojaschrot, das in der Tiermast Verwendung findet. Das GVOSoja kommt zumeist aus Lateinamer­ika, aber auch aus den USA. Natürlich ist eine klare GVO-Strategie der EU für die Amerikaner im Rahmen von TTIP extrem wichtig. Dazu wiederum gehört ein klares Zulassungs- oder Ablehnungs­prozedere.

Insgesamt sind 58 GVO-Pflanzen in der EU zugelassen – als Lebensmitt­el, vor allem als Futtermitt­el. Angebaut wird in Europa nur Mais, und zwar MON810 des Marktriese­n Monsanto in Spanien und Portugal. Weitere 59 Pflanzen sind in der Warteschle­ife, wobei 17 bereits die ersten Überprüfun­gen der Efsa durchlaufe­n haben.

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