„Kleiner Schritt Richtung Videobeweis“
Die Einstellung des Verfahrens gegen den zu Unrecht ausgeschlossenen Salzburger Martin Hinteregger könnte Folgen haben. Bernhard Brugger, Sprecher der IG Referee, sieht ein „Fairplay-Zeichen“, aber auch „die Gefahr, dass jetzt noch mehr diskutiert wird“.
Wien – „Toll, dass er die Courage gehabt hat.“Bernhard Brugger, selbst früher Schiedsrichter und nun Sprecher der IG Referee, lobt seinen Kollegen Manuel Schüttengruber. Das Lob gilt natürlich nicht dem Fehlpfiff, der im Spiel Altach gegen Salzburg (2:2) einen Elfmeter, das 2:1 Altachs und den Ausschluss des Salzburgers Martin Hinteregger nach sich gezogen hatte, sondern der Tatsache, dass Schüttengruber seinen Lapsus im Spielbericht vermerkte. Damit, meint Brugger, habe der Strafsenat der Bundesliga erst die Möglichkeit gehabt, das Verfahren gegen Hinteregger einzustellen. Der Verteidiger ist am Mittwoch in Graz gegen Sturm spielberechtigt, wo Salzburg bei einem Sieg als Meister feststehen würde.
Ein vergleichbares Urteil hatte es hierzulande erst einmal gegeben, es betraf 2001/02 den Rapid- ler Krzysztof Ratajczyk. So oder so ist von einem Präzedenzfall die Rede, da die Tatsachenentscheidung „Ausschluss“nicht automatisch – wie auch sonst ab und zu bei Fehlentscheidungen – zur Tatsache „Sperre“geführt hat.
Brugger spricht von einem „Fairplay-Zeichen“, das Schüttengruber und der Strafsenat quasi gemeinsam gesetzt hätten – in einer „hoffentlich einmaligen Situation“. Daran, „dass Tatsachenentscheidungen auch Tatsachenentscheidungen bleiben“, solle jedenfalls nachträglich nicht gerüttelt werden. Doch wo fängt es an, wo führt es hin? Das fragt sich auch Gerhard Goldbrich, General Manager von Sturm Graz, der am Dienstag eine Wutrede hielt. „Was bedeutet das in Zukunft für die Bundesliga? Was passiert, wenn jemand die fünfte Gelbe Karte kriegt, es aber kein Foul war?“Es sei, sagte Goldbrich, „sehr dubios, wie die Dinge hier laufen“.
Auch Brugger sieht im Strafsenatsurteil ein gewisses Risiko. „Natürlich gibt es die Gefahr, dass jetzt noch mehr diskutiert wird.“Trainer und Funktionäre wären nicht Trainer und Funktionäre, würden sie nicht regelmäßig über Schiedsrichter jammern und sich benachteiligt fühlen. Von einem gewissen Drängen darauf, dass nun öfter TV-Bilder studiert werden, ist fast auszugehen. Die Causa Hinteregger, sagt Brugger, sei „ein kleiner Schritt Richtung Videobeweis“– nämlich Videobeweis in jener Form, wie es ihn im Tennis oder im Eishockey schon gibt. Nach strittigen, wichtigen Situationen zieht sich der Schiedsrichter zurück, sieht fern – und entscheidet auf Tor oder nicht Tor. Oder auf Elfmeter oder nicht Elfmeter, Ausschluss oder nicht Ausschluss. Brugger: „Die meisten Referees hätten nichts dagegen. Dem Schüttengruber wäre viel erspart geblieben.“
Der Weltverband (Fifa) hat seine prinzipielle Ablehnung gegen den Videobeweis insofern etwas relativiert, als da und dort schon die Torlinientechnik zum Einsatz kam. Die Entwicklung wird fortschreiten. Brugger ortet „einen Graubereich. Wie viele Einstellungen schaut man sich an, wer entscheidet letztlich?“Dazu kommt, dass manche Spielsituationen sowieso nicht rückgängig zu machen sind, ein falscher Abseitspfiff wird immer ein falscher Abseitspfiff bleiben, und niemand wird sagen können, ob ein Tor gefallen wäre, wenn der Schiedsrichter nicht gepfiffen hätte.
Brugger sieht naturgemäß vieles aus der Warte seiner Refereekollegen. „Der Sport wird immer schneller, der Druck wird immer größer, für Schiedsrichter wird es immer schwieriger.“