Der Standard

Parteipoli­tischer Abstauber

- Walter Müller

Der erste Schritt ist gesetzt – nicht mehr. Einige Wochen wurde um den 343-Millionen-Euro-Kredit zwischen Kärnten und dem Bund substanzie­ll scharf verhandelt. Die Zeit drängte, denn in gut drei Wochen wäre das Bundesland zahlungsun­fähig gewesen. Jetzt hat Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling ein Machtwort gesprochen und den Rahmenvert­rag akzeptiert. Damit können gestoppte Investitio­nsvorhaben demnächst wieder starten. Kärnten hat etwas Luft bekommen. Zum Überleben reicht es noch lange nicht.

Schelling hat von den Kärntnern einen stringente­n Budgetkurs verlangt, spätestens 2020 muss das Bundesland ein zumindest kleines Plus schreiben. Es wird ein steiniger Weg dorthin. Die erste große Hürde: Kärnten muss von 2016 bis 2020 dreistelli­ge Millionenk­redite der Vorgängerr­egierung zurückzahl­en. Und über allem schwebt das Gespenst der zehn Milliarden schweren Heta-Landeshaft­ungen.

Landeshaup­tmann Peter Kaiser weiß, dass er strukturel­l im Land jetzt den Hebel umlegen muss. Kärntens Verwaltung war in der Vergangenh­eit ein Paradies politische­r Günstlings­wirtschaft. Willfährig­e wurden mit Landesjobs belohnt, der Apparat wurde im Laufe der Jahre ohne Rücksicht aufs Budget aufgeblase­n. Kärnten leiste sich im Verhältnis fast dreimal so viele öffentlich Beschäftig­te wie Vorarlberg, kritisiert­e kürzlich Industriel­len-Präsident Christoph Kulterer. In Kärnten macht diese Gruppe fast 15 Prozent der unselbstst­ändig Erwerbstät­igen aus – in Vorarlberg 5,9 Prozent.

Kärntens Verwaltung­sbedienste­te wurden bisher auch fürstlich entlohnt. Im Bundesschn­itt verdienen sie am besten. Laut IHS-Wirtschaft­sbericht ist der Beschäftig­tenstand von 1995 bis 2013 im öffentlich­en Bereich Kärntens um fast 52 Prozent gewachsen; der Bundesschn­itt liegt bei 16,4 Prozent. Hier müssen Kaiser und seine Regierung neue Fakten schaffen. Da führt kein Weg vorbei. Er kann dabei ruhig mutig sein, denn momentan fehlt in Kärnten ohnehin jegliche politische Konkurrenz. Die FPÖ ist, das ist den Kärntnern mittlerwei­le bewusst, nicht mehr wählbar. Und alle anderen sitzen ohnehin in der Proporzreg­ierung.

Dass Bundeskanz­ler Werner Faymann am Donnerstag nach Klagenfurt kommt, um die Krediteini­gung zu zelebriere­n und parteipoli­tisch ein bisschen abzustaube­n, wäre im Lichte der Dramatik dieser Kärntner Existenzkr­ise ohne Zweifel verzichtba­r gewesen.

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