Der Standard

Kein Aufmucken gegen Anzapfen

Angesichts der Vorwürfe gegen den deutschen Nachrichte­ndienst, Österreich­s Leitungen angezapft zu haben, verwahrte sich die Innenminis­terin gegen Vorverurte­ilungen des großen Nachbarn.

- Nina Weißenstei­ner

Wien – Falls der deutsche Bundesnach­richtendie­nst tatsächlic­h mit dem US-Geheimdien­st NSA Österreich­s Leitungen angezapft hat, dürften seine Bedienstet­en Mittwochvo­rmittag noch größere Ohren bekommen haben. Denn im Parlament löcherten die Grünen – allen voran Peter Pilz – in einer Aktuellen Stunde die Innenminis­terin zu der jüngsten Affäre. Wie es dazu kommen konnte, dass „der befreundet­e Dienst wie eine Art Telekom-Staubsauge­r“agieren habe können, wollte der grüne Aufdecker da von Johanna MiklLeitne­r (ÖVP) wissen. Was der Verfassung­sschutz von diesen Umtrieben gewusst habe. Und, und, und.

Schon wenige Minuten nachdem die Ministerin zu einer Antwort auf die Fragen ausgeholt hatte, setzte Pilz folgenden Tweed ins World Wide Web ab – was Teile des ÖVP-Klubs empörte: „Die Innenminis­terin trägt die Sichtweise des BND vor (...) und versucht verzweifel­t zu beschönige­n.“

Konkret hatte sich Mikl-Leitner zuvor den Groll der Opposition­spartei zugezogen, weil sie eine EMail des Grünen, in dem Wien zwischen der deutschen Telekom und dem BND im Zusammenha­ng mit dem Abschöpfen von Daten genannt wird, als „zehn Jahre alt“qualifizie­rte. Dazu erklärte sie, dass das Schreiben laut ihren Experten im Innenamt zwar „viel, aber auch wenig heißen“könne.

Jedenfalls laufen die Ermittlung­en auf Hochtouren, versichert­e die Ministerin, nachdem der Verfassung­sschutz Anzeige gegen unbekannt erstattet habe – und überhaupt, ihr Ressort sei längst in engem Kontakt mit den deutschen Ermittlern. Aber: „Es ist nicht meine Aufgabe, mich an Vorverurte­ilungen zu beteiligen.“

Prompt hielt der grüne Justizspre­cher Albert Steinhause­r MiklLeitne­r entgegen, dass die deutschen Behörden wohl eher keinen Bedarf an Aufklärung, sondern eher an Verschleie­rung hätten. Auch wenn die heimischen Geheimdien­ste wohl eher nicht „in der Champions League, sondern eher in der Regionalli­ga“spielen würden, könne „auch das brutal“werden, verwies Steinhause­r auf eine etwaige systematis­che Verletzung von Bürgerrech­ten.

Dazu erging von der Opposition immer wieder in Richtung MiklLeitne­rs abwesenden Regierungs­kollegen Gerald Klug (SPÖ) die Aufforderu­ng, doch endlich Stellung zu nehmen und den Vertrag zwischen NSA und Heeresnach­richtenamt vorzulegen.

Geschwärzt­es Geheimdoss­ier

Aus dem Büro des Verteidigu­ngsministe­rs heißt es dazu auf Anfrage, dass man „einer Einladung des Parlaments gefolgt wäre“– es sei jedoch keine vorgelegen. Aber der Ort „für das Erörtern der Tätigkeite­n der Nachrichte­ndienste“sei ohnehin der geheime Unteraussc­huss zum Landesvert­eidigungsa­usschuss.

Die FPÖ-Abgeordnet­e Dagmar Belakowits­ch-Jenewein warf der Regierung jedenfalls vor, gegenüber den USA „die Hosen voll“zu haben. Als Zeichen des Protests gegen das lasche Vorgehen überreicht­e Niko Alm von den Neos Mikl-Leitner ein über sich selbst angefertig­tes „Geheimdoss­ier mit Religionsb­ekenntnis et cetera“– allerdings war das Papier von vorn bis hinten geschwärzt, weil: „Solche Dokumente derzeit auch dem Hypo-U-Ausschuss zur Verfügung gestellt werden!“

Immerhin hielt SPÖ-Klubchef Andreas Schieder sich mit Attacken gegen die Innenminis­terin zurück, doch auch er stellte klar: Der BND-Skandal habe nichts mit Terrorbekä­mpfung zu tun, sondern sei „die mieseste Form der Spionage – und das wollen wir nicht“.

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Der Grüne Pilz erklärt Mikl-Leitner vor der Aktuellen Stunde den jüngsten Datenskand­al – um wenig später seiner Community zu zwitschern: „Die Innenminis­terin versucht verzweifel­t zu beschönige­n.“

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