Der Standard

Hälfte der Schüler verlässt Caritas- Sonderschu­le

Die Caritas-Sonderschu­le für schwerstbe­hinderte Kinder Am Himmel wird zur Inklusions­schule. Weil sie um die Betreuung fürchten, haben 14 Eltern ihre Kinder abgemeldet. Es kommen Schüler ohne besondere Bedürfniss­e.

- David Krutzler

Wien – Früher als geplant wird die Wiener Caritas-Schule Am Himmel von einer Bildungsei­nrichtung für schwerstbe­hinderte Kinder in eine Inklusions­schule umgewandel­t. Das bedeutet, dass auf dem idyllische­n Areal in WienDöblin­g mitten im Grünen künftig Kinder mit und ohne Handicap unterricht­et werden. Statt wie zuletzt geplant ab Herbst 2017 werden schon mit Beginn des nächsten Schuljahre­s auch Kinder ohne besondere Bedürfniss­e die Privatschu­le besuchen. Das bestätigte die Caritas dem STANDARD.

Grund für die überrasche­nde Vorverlegu­ng ist der Protest von Eltern bisheriger Schüler: Laut Elternvere­in wurden in den vergangene­n Wochen gleich 14 schwerstbe­hinderte Kinder von ihren Eltern von der Caritas-Schule ab- und in einer anderen Sonderschu­le angemeldet. Das ist die Hälfte aller Kinder in der Schule Am Himmel. Auch zwei Lehrerinne­n der Caritas-Schule dürften den Wechsel mitmachen. Als Grund für die Abmeldung gaben Eltern an, dass sie um die Betreuungs­qualität für ihre schwerst behinderte­n Kinder fürchten.

Philipp etwa, der Sohn von Margit Hödel, ist frühkindli­cher Autist. Der Grad der Behinderun­g liegt bei 100 Prozent. Der 13-Jährige spricht kaum, über weite Strecken kommunizie­rt er nonverbal. „Er hat erst jetzt zu rechnen begon- nen – im Zahlenraum bis zehn“, erzählt seine Mutter. In Kleingrupp­en, in denen Pädagogen mit Zusatzqual­ifikatione­n wie Waldpädago­gik, Sprachheil­pädagogik, oder Gebärdensp­rache arbeiten, fühlt sich Philipp wohl.

Eine größere Inklusions­klasse mit Kindern ohne besondere Bedürfniss­e würde er nicht schaffen, sagt Hödel. Sie spreche aus Erfahrung: Bevor Philipp in die CaritasSch­ule Am Himmel kam, besuchte er eine Klasse mit Mitschüler­n ohne besondere Bedürfniss­e – und musste nach einem halben Jahr abgemeldet werden. Mit dem Schreien und Quietschen von Philipp waren die Pädagogen überforder­t, sagt Hödel. „Er sortierte den ganzen Schultag Linsen in einem Kübel.“In der Caritas-Sonderschu­le schloss er sogar Freundscha­ften – etwa mit Lucas: Der 16Jährige hat Down-Syndrom mit Autismus. Hödel: „Für Philipp war die Sonderschu­le jetzt schon eine Inklusions­schule. Er hat von anderen Kindern mit besonderen Bedürfniss­en gelernt.“

Die Caritas ist hingegen „erfreut, dass die Schule mit inklusivem Ansatz früher starten kann“. Der Abgang der 14 Schüler mit besonderen Bedürfniss­en wird durch 18 Kinder kompensier­t, die von der privaten, Montessori­orientiert­en Bildungsei­nrichtung „Kirschbaum­haus“im 18. Bezirk wechseln. Laut Caritas sind das Schüler ohne besondere Bedürfniss­e, die teils im verschränk­ten Unterricht mit den verblieben­en Sonderschü­lern den Schulallta­g verbringen werden.

Argument UN-Konvention

Die Umwandlung der Sonderschu­le in eine Inklusions­schule wird bei der Caritas mit der Umsetzung der UN-Konvention argumentie­rt, die Österreich 2008 unterschri­eben hat. Diese verpflicht­et die Staaten, Menschenre­chte von Menschen mit Behinderun­gen zu fördern sowie mehr Partizipat­ion zu ermögliche­n.

Die Geschäftsf­ührerin der privaten und teils spendenfin­anzierten Clara-Fey-Sonderschu­le in Wien-Döbling, die bis zu 14 schwerstbe­hinderte Kinder der Caritas-Sonderschu­le samt Lehrerinne­n aufnehmen wird, ist ebenfalls „für Inklusion. Aber nicht um jeden Preis“, sagt Dora Luss-Brunner. Kleinklass­en seien vor allem für Intensivbe­treuung für Kinder mit besonderen Bedürfniss­en unerlässli­ch.

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Eltern von schwerstbe­hinderten Schülern befürchten, dass ihre Kinder dadurch überforder­t werden.
In der Caritas-Schule werden bald Kinder mit und ohne besondere Bedürfniss­e gemeinsam unterricht­et. Eltern von schwerstbe­hinderten Schülern befürchten, dass ihre Kinder dadurch überforder­t werden.

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