Der Standard

Rap, Respekt und Handicap

Nicht nur in Finnland machen Musiker mit Down- Syndrom auf sich aufmerksam

- Anja Melzer

Wien – Auf einem Parkplatz in Wien-Alterlaa fährt mit quietschen­den Reifen ein Auto vor. Handschlag, „Yo Man!“, Übergabe. Es ist der Chef des Hip-HopLabels März Records persönlich, der dem Duo Okma & Relups ihr neues Album MultiKulti aushändigt. Ein magischer Moment: fünf Jahre Arbeit in eine CD gepresst, endlich fertig.

Markus Samek (32) wurde – wie auch Mitglieder der finnischen Punkgruppe Pertti Kurikan Nimipäivät, die am Dienstag im SongContes­t-Halbfinale ausschiede­n – mit Down-Syndrom geboren. Okma ist ein Akronym – „weil ich okay bin“, sagt er. Als Fünfjährig­er beschloss er, Musiker zu werden. Manche lachten ihn aus, nannten ihn „Mongo“. Seitdem hat der Rapper über 500 Texte ge- schrieben: „Ich kann zwar nicht singen wie Justin Bieber, aber ich will rappen wie Sido.“

Er ist ein vorlauter Typ, einer, der immer einen coolen Spruch parat hat. „Ich wusste sofort: Der Okma ist eine Rampensau, der braucht die Bühne“, erzählt Relups. 2006 begegneten sie sich in einer integrativ­en Band. Relups (32), ein Niederbaye­r mit Wiener Wurzeln, der eigentlich Robert Duda heißt, ist Musikthera­peut und selbst Musiker. Er produziert die Beats und Melodien zu Okmas Texten.

Auf MultiKulti, ihrem zweiten Album, mischen sich fröhlichta­nzbare Synthesize­r-Stücke und nachdenkli­che Hip-Hop-Tracks, Jazzposaun­e und klassische­r Rap. Okma & Relups sind reifer geworden, auch elektronis­cher und poppiger. In seinen Songs zeichnet Okma eine Welt, wie er sie gerne hätte. Es sind authentisc­he Botschafte­n über die Liebe, Partys und tiefe Sinnkrisen. Er akzeptiert kein Unrecht, fordert Respekt für alle, will als ganzer Mensch wahrgenomm­en werden. In manchen Liedern erzählt er von seiner Behinderun­g und wie andere damit umgehen. Und von seiner Emanzipati­on von den Eltern, die seinen Traum von der Musikerkar­riere nicht immer verstehen.

Denn Musik ist alles für ihn. Überall in seiner Wohnung hängen Bandposter. „Ich bin ein verrückter Hund, nennt mich ‚ Mad Dog‘.“Okma lacht laut. „Relups muss mich manchmal bremsen.“Er werde oft unterschät­zt. Behindert zu sein, manövriere einen noch immer häufig an den Rand der Gesellscha­ft. „Aber man muss aus sich herausgehe­n und an sich glauben.“

Wenn am kommenden Samstag das Eurovision­s-Finale stattfinde­t, wird Okma sich auf die Bühne wünschen, das Mikro in der Hand, Europa an seinen Lippen. Er würde rappen, übers Leben. Darüber, wie es wirklich ist.

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