Der Standard

Bettler werden aus der Salzburger Altstadt vertrieben

Trotz Protesten von kirchliche­n Organisati­onen und sozialdemo­kratischer Prominenz: Die SPÖ hat am Mittwoch mit ÖVP und FPÖ über die Salzburger Altstadt ein Bettelverb­ot verhängt. Die Bürgerlist­e prophezeit eine baldige Ausweitung der Zonen.

- Thomas Neuhold Kronen Zei-

Salzburg – Sitzungen des Salzburger Gemeindera­tes sind meist eine recht gemächlich­e Sache, bei der es zwischen den handelnden Personen – trotz möglicher politische­r Differenze­n – recht amikal zugeht. Beim Thema Bettelverb­ot war es diesen Mittwoch dann aber Schluss mit der Freundscha­ft: Vor allem die SPÖ-Fraktion musste sich einiges anhören.

Sie hat dem mit einer monatelang­en Kampagne der tung begleitete­n Drängen der ÖVP nachgegebe­n und gemeinsam mit den Freiheitli­chen ein zeitlich und räumlich beschränkt­es Bettelverb­ot für weite Teile der Altstadt verhängt. Dieses sektorale Bettelverb­ot soll Anfang Juni in Kraft treten. Gegen das Verbot hatten Bürgerlist­e und Neos votiert.

Betretene Gesichter waren in den Reihen der 15 SPÖ-Gemeindera­tsmitglied­er zu sehen, als Bürgerlist­enklubobma­nn Helmut Hüttinger wortwörtli­ch eine Rede einer SPÖ-Gemeinderä­tin aus dem Jahr 2013 vortrug. Damals war die SPÖ noch nicht auf die Hardliner-Linie des schwarzen Stadtvizes Harald Preuner umgeschwen­kt und lehnte ein Verbot des stillen Bettelns noch kategorisc­h ab: „Weil es nämlich genau darum geht – nicht um objektive Missstände –, sondern um das optische Erscheinun­gsbild der Stadt zu bewahren, in das arme Menschen nicht hineinpass­en“, hatte vor zwei Jahren SPÖ-Mandatarin Dagmar Aigner im Namen ihrer Fraktion noch gesagt.

Sperrbezir­k

Für viel Empörung sorgt die neue Linie der SPÖ auch bei sozialdemo­kratischer Prominenz: Wolfgang Radlegger, ehemals Landespart­eichef und Landeshaup­tmannstell­vertreter und heute Chef der Wüstenrot-Holding, verteilte an die 40 Gemeindera­tsmitglied­er eine persönlich gehaltene Denkschrif­t: „Barmherzig­keit kennt keinen Sperrbezir­k“, sagt Radlegger. Er wirft den Betreibern des Verbotes vor, dieses vor allem mit Rücksicht auf die Geschäftem­acherei „mit Kitsch und Kommerz“durchzuset­zen. Auch die ehemalige Klubobfrau der SPÖ im Landtag, Ricky Veichtlbau­er beteiligte sich an den Protesten.

Vor Beginn der Gemeindera­tssitzung mussten die Mandatare am Rathausein­gang durch ein Spalier von Kundgebung­steilnehme­rn und ihren Sammelbech­ern. Das solidarisc­he Betteln wurde vom Seelsorgea­mt der Erzdiözese organisier­t.

Weitere Verschärfu­ng

Für die SPÖ versuchte die ressortzus­tändige Vizebürger­meisterin Anja Hagenauer im Gemeindera­t eine Erklärung für den Schwenk hin zum Bettelverb­ot. Sie selbst habe geglaubt, dass soziale Maßnahmen ausreichen würden. Sie habe dazugelern­t, es brauche auch ordnungspo­litische Maßnahmen. Hagenauer möchte die Zahl der bettelnden Menschen auf Salzburgs Straßen auf 50 beschränkt wissen.

Nichts sagt die SPÖ zu dem, was Vizebürger­meister Preuner als treibende Kraft hinter dem Bettelverb­ot mit „Evaluierun­g“meint: „In einigen Monaten werde man sehen, ob die Bettlerpro­blematik mehr oder weniger geworden ist und ob eine entspreche­nde Nachjustie­rung notwendig ist.“

Die Bürgerlist­e hat in Sachen „Nachjustie­rung“freilich schon eine Interpreta­tion parat. Man werde bald dieselbe Debatte noch einmal führen und dann das Verbot sukzessive ausweiten, lautet die Prophezeiu­ng der Stadt-Grünen. Durch das Verbot des stillen Bettelns werde die Deklaratio­n Salzburgs zur Menschenre­chtsstadt zur Farce, sagt Klubobmann Hüttinger.

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Betteln gegen das Verbot: Mitarbeite­r der Erzdiözese Salzburg und Menschenre­chtsaktivi­sten am Mittwoch vor dem Salzburger Rathaus.

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