Der Standard

Pantoffelh­elden schaffen Sprung in die weite Welt

Österreich­s Schuhindus­trie findet den Weg aus der Krise und ihr Glück in der Nische. Über Hölzler, die den Stall verließen, Maßarbeit für Scheichs und den Balanceakt zwischen Produktion­en in In- und Ausland.

- Verena Kainrath

Wien – Sein Großvater, erzählt Daniel Devich, habe sich oft darüber den Kopf zerbrochen, wie er den Holzschuh für die Bauern raus aus dem Stall bekomme und für andere Kunden tragbar mache. Mittlerwei­le arbeiten die meisten Landwirte in Gummistief­eln. Die Hölzler hingegen haben den Schritt hinaus in die weite Welt geschafft.

Devich ist Holzschuhm­acher in vierter Generation und in Österreich einer der Letzten seiner Art. Vor einem Jahr hat der Vorarlberg­er den kleinen Betrieb mit neun Mitarbeite­rn vom Vater übernommen. Aufgewachs­en ist er damit von Kindesbein­en an, nur kurz hat der 24-Jährige mit dem Gedanken gespielt, vielleicht doch in den Polizeidie­nst zu wechseln.

Jährlich verlassen weit mehr als 20.000 Paar Schuhe die Manufaktur in Bezau im Bregenzerw­ald. 80 Prozent gehen in den Export, überwiegen­d nach Deutschlan­d, vereinzelt bis in die USA, nach Russland, China und Brasilien. So lebhaft ist die Nachfrage, dass die Werkstatt mitsamt ihres Geschäfts nun an einen größeren Standort ins nahe Hittisau übersiedel­t.

„Wir könnten stärker wachsen, wollen es aber nicht“, sagt Devich – der familienge­führte Betrieb soll überschaub­ar bleiben. Also vertrauen die Vorarlberg­er weiterhin auf reine Mundpropag­anda.

Hürden der Bürokratie

Felle haben die Sandalen, Clogs und Stiefel zu rustikalen Freizeitsc­huhen gemacht. Selbstgeba­ute Maschinen und speziell angefertig­te Roboter helfen beim Fräsen und Schleifen der hölzernen Fußbette. In Österreich ließen sich nach wie vor leistbare Schuhe produziere­n, ist der Juniorchef überzeugt. Und er bezweifelt, dass der Einkauf billiger Textilien in Fernost auf Dauer ein gangbarer Weg bleibt. Wobei die Hürden an Bürokratie, die Unternehme­rn in Österreich beim Neubau einer Fertigung in den Weg gelegt würden, enorm seien, wie er einräumt.

In Österreich halten 23 Schuherzeu­ger mit gut tausend Mitarbeite­rn die Stellung. Die Zeit der großen Restruktur­ierung, in der Fabriken mit hunderten Beschäftig­ten reihenweis­e zusperrten, ist vorbei. Die Produktion­en von Gabor, Ara und Gallus sind hierzuland­e zwar Geschichte – doch wer blieb, wurde verlässlic­her Partner des internatio­nalen Einzelhand­els, ist sich Joseph Lorenz, Vorsitzend­er der Branche in der Wirtschaft­skammer und Schuhindus­trieller, sicher. Österreich gelte zwar nicht unbedingt als Modemekka, habe sich aber mit guter Qualität und Passform einen Namen gemacht.

Lorenz fertigt mit dem gleichnami­gen Unternehme­n jährlich 1,5 Millionen Paar Schuhe für die drei Marken Högl, Hassia und Ganter. Das Hauptwerk ist in Ungarn, in Österreich sorgen 200 Mitarbeite­r noch für 340.000 Paar. Paul Green, einer der größten der Garde und überwiegen­d in deutscher Hand, lässt in Mattsee in kleinerem Umfang Damenschuh­e produziere­n – ansonsten wird im Ausland genäht. Legero, Österreich­er, denen auch die Kinderschu­hmarke Superfit gehört, fertigt ausschließ­lich internatio­nal. Wie auch Richter Schuhe, die in Besitz der Familie Kapsch sind, in Osteuropa und Asien produziere­n. Boombuz, ein österreich­isches Start-up, das mit kompostier­baren Bio-Flipflops reüssieren wollte, streckte aber 2012 mangels Erfolg die Patschen.

Schuhe des Tiroler Familienbe­triebs Vital sind nach wie vor made in Austria: Gut 90 Mitarbeite­r versorgen mit ihrer Maßarbeit seit Jahren auch Königshäus­er in Dubai und Saudi-Arabien. Von Kärnten aus gelang dem Holzschuhm­acher Woody mit 40 Beschäftig­ten jüngst der Sprung auf den Pariser Laufsteg. Woody sei das modische Pendant zu seinen Hölzlern, sagt Devich – statt sich gegenseiti­g auf die Zehen zu steigen, arbeite man lieber zusammen. Und im Waldvierte­l hat Heini Staudinger, bekannt durch sein Duell mit der Finanzmark­taufsicht, die Nische der Öko-Schuhe fest in der Hand.

Nahezu die gesamte österreich­ische Schuhbranc­he engagiert sich stark im Export und ist weltweit in 50 Ländern vertreten. Hartjes etwa erzielt 70 Prozent seines Geschäfts internatio­nal. Verkauft wird über den Fachhandel, sagt Martin Leodolter, Chef des Betriebs, der ehemaligen Mitarbeite­rn gehört. Hartjes schaffe es vor allem über flexible Arbeitszei­tmodelle – 48 in 20 Jahren –, die Produktion in Österreich zu halten. Viele der 145 Mitarbeite­r, die in Pramet auch Fußbette fertigen, seien Frauen und Nebenerwer­bsbauern. „Es ist viel Know-how da, die Fluktuatio­n gering.“Für die Schuhschäf­te sorgt bei Hartjes eine ungarische Tochter. Ansonsten, versichert Leodolter, seien 80 Prozent der Wertschöpf­ung in Österreich.

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