Das neue Leben alter DDR-Marken
Nudossi klingt für österreichische Ohren ein bisschen, na ja, seltsam. Nicht so für den ostdeutschen Konsumenten. Für ihn war der Brotaufstrich jahrzehntelang gern gegessen, quasi das Pendant zu einer Haselnusscreme à la Nutella. Nicht immer war Nudossi erhältlich: Erstens, weil es in den DDR-Läden verkauft wurde, wo Lebensmittel aus Ost und West zu überhöhten Preisen verkauft wurden. Zweitens, weil der Produktion nicht immer ausreichend Haselnüsse zugeteilt wurden.
Die Überlebenschancen für Nudossi aus dem Hause VEB Süßwarenfabriken Elbflorenz waren denkbar schlecht, als die Mauer fiel. VEB, das stand für Volkseigener Betrieb. Süßes aus dem Westen schwappte nach Ostdeutschland – und die ehemaligen DDRBürger griffen neugierig zu. Lange genug hatten sie Westware nur selten über Schleichwege erhalten. Heute aber verkauft sich Nudossi überall in Deutschland gut, es ist ein Beispiel geglückter Privatisierung durch den Konditor Karl-Heinz Hartmann. Für den Aufstrich existiert der NudossiÄquator, eine Art unsichtbare Grenze zwischen Gewohnheiten und Geschmäckern der Deutschen nicht mehr.
Der Berliner Journalist und Historiker Erik Lindner ist der Geschichte unzähliger DDR-Marken nachgegangen. Marken, die es ins wiedervereinte Deutschland geschafft haben. In der Regel war dies nicht einfach, wie er anhand von 50 Kurzporträts beschreibt. Die Nachfrage nach den ehemaligen DDRProdukten war verhalten. Sehr oft lag die Qualität unter jener der Konkurrenz aus dem Westen. Und die sozialistischen Bruderländer, früher treue Abnehmer ostdeutscher Waren, interessierten sich auch mehr für das Neue aus dem Westen. Produkte, die es schafften, hatten hervorragende Markenkerne: Rotkäppchen-Sekt, Thüringer Rostbratwurst, SpeeWaschmittel ... Sie fanden Investoren, die in abgewirtschaftete Fabriken Geld steckten, Produkte aufpolierten und neue Vertriebswege suchten. Heute sind die einstigen DDR-Betriebe oft Töchter westdeutscher oder internationaler Firmen. Lindner beschreibt sie sympathisch. Leider lässt er die Phase der Sozialisierung der Betriebe, denen die Enteignung vorangegangen war, komplett weg. Erik Lindner, „Auf der Suche nach dem Nudossi-Äquator“. € 18,40 / 272 Seiten. Murmann-Verlag, 2015