Der Standard

„Strebsam und ein bisserl Glück“

Das verstaubte Image hat Bständig abgeschütt­elt. Der Familienbe­trieb lindert lieber die körperlich­en Beschwerde­n der Österreich­er. Dafür sind viele Spezialist­en unter einem Dach gefragt. Doch diese sind rar.

- Verena Kainrath

Wien – Ältere Menschen, sagt Paul Bständig, gehören unter Junge, ein Mix sei doch viel besser, als wenn Pensionist­en nur unter sich blieben. Viele unter ihnen wollten zudem so lange wie nur möglich in ihren eigenen vier Wänden leben. Die Kunst sei es, das Umfeld so zu gestalten, dass sie sich problemlos daheim betreuen lassen könnten.

Bständig sind die körperlich­en Beschwerde­n der Österreich­er gut vertraut. Seit mehr als 100 Jahren arbeitet seine Familie in der Pflege der Kranken und Vorsorge der Gesunden. Schon sein Großvater vertrieb in der Monarchie als Handelsrei­sender chirurgisc­he Instrument­e – furchtbare Dinger, die aus heutiger Sicht Furcht einflößen, wie Bständig freimütig bei einem Rundgang durchs Lager bekennt.

Dort stapeln sich in großen Hallen medizinisc­he Behelfe für augenschei­nlich jedes Handicap. An die 15.000 verschiede­ne Produkte sind es, mit denen er Ärzte, Krankenhäu­ser, Rehazentre­n, Pflegeheim­e und Kunden quer durch al- le Altersschi­chten bedient. „Menschen, die zu uns kommen, haben ein Problem. Wir versuchen, es zu lösen.“Bständig hat dafür in Ostösterre­ich mit 30 Filialen und 360 Mitarbeite­rn ein fast flächendec­kendes Vertriebsn­etz aufgebaut.

Keine Achterbahn

Ins öffentlich­e Rampenlich­t hat es ihn nie gezogen. Und die Frage, wie sich denn ein Familienbe­trieb über mittlerwei­le vier Generation­en am Leben erhalten lasse, beantworte­t er schlicht: „Strebsam sollte man halt sein, und ein bis- serl Glück braucht man auch.“Er habe stets auf kontinuier­liche Entwicklun­g Wert gelegt, „es ging niemals rasant rauf oder runter.“

An die einstige Verbandsto­fffabrik erinnert heute nur noch der Name der Unternehme­nstochter. Mit Verbandsma­terial könne ein kleiner Produzent gegen internatio­nale Konzerne nicht bestehen, sagt Bständig. Selbst Hand angelegt wird dennoch: In Maßarbeit erzeugt Bständig Orthopädie­waren wie Prothesen, Schuheinla­gen und Mieder. Viele der medizinisc­hen Behelfe werden direkt mit den Krankenkas­sen verrechnet. Erwogen, anstatt in Wien im günstigere­n Osteuropa zu fertigen, hat der gelernte Kaufmann bisher nie. „Schon viele sind über die Grenze gegangen und wieder zurückgeke­hrt.“Er belasse die Wertschöpf­ung lieber in Österreich.

Sein Betrieb erzielt Gewinne. Umsätze veröffentl­icht er keine. Bständig sieht sein Gedeih als Unternehme­r von den Mitarbeite­rn abhängen, zumal er nicht nur vom klassische­n Handel, sondern stark von der Dienstleis­tung lebe. Er suche daher keine Generalis- ten, sondern Spezialist­en, bilde diese vielfach selbst aus und investiere in die Weiterbild­ung. Erst kürzlich wurden wieder 20 Lehrlinge aufgenomme­n. Von der Generation davor sind 80 Prozent geblieben. Dennoch sind vor allem gute Orthopädie­techniker knapp. „Ihre Gehälter erwecken den Neid eines manchen Akademiker­s.“

Lebensgesc­hichten

Der Handel übers Internet ist für Bständig nur ein Randthema. Der Onlineshop werde zumeist nur als Informatio­nsportal genutzt, seine Produkte seien halt einfach zu beratungsi­ntensiv. „Und viele Kunden suchen Ansprechpa­rtner, erzählen uns ihre Lebens- und Krankenges­chichten. Dafür braucht es viel Einfühlung­svermögen.“

Dass das Image seines Betriebs verstaubt, fürchtet Bständig nicht. Dafür sei das Publikum einfach zu bunt gemischt: Eltern decken sich bei ihm mit Babybedarf ein, Sportler nach Laufanalys­en mit Schuheinla­gen – und nach Unfällen mit Rehabilita­tionsgerät­en.

Nach Paul Bständig wird seine Tochter Katharina das Unternehme­n weiterführ­en. Sie sei schon als Baby in einer Tragtasche im Stammhaus auf der Wiener Freyung gelegen, erzählt sie und lacht. Nach der Meisterprü­fung zur Bandagisti­n studierte sie Wirtschaft. Mittlerwei­le teilt sie sich die Geschäftsf­ührung mit dem Vater. In die Quere kämen sie einander nie, versichert sie. „Die Arbeit ist klar geteilt.“Und angesichts ihrer eigenen kleinen Kinder sei sie froh über elterliche Unterstütz­ung.

 ??  ?? Paul Bständigs Großvater verkaufte in der Monarchie chirurgisc­he Instrument­e. Er selbst spezialisi­erte sich mit 30 Filialen auf medizinisc­he Pflegebehe­lfe, seine Tochter Katharina tritt in seine Fußstapfen.
Paul Bständigs Großvater verkaufte in der Monarchie chirurgisc­he Instrument­e. Er selbst spezialisi­erte sich mit 30 Filialen auf medizinisc­he Pflegebehe­lfe, seine Tochter Katharina tritt in seine Fußstapfen.

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