Der Standard

Die sind nicht Wurst

- Birgit Baumann aus Berlin

Es soll Menschen geben, die mit dem Song Contest und dem Brimborium drumherum wenig anfangen können, sich aber dennoch über das Weltgesche­hen informiere­n wollen. Diese sind dieser Tage im deutschen Fernsehen besser aufgehoben als im österreich­ischen.

Dort nämlich ist das MegaMega-Ereignis nur eines von vielen und wird auch so behandelt. Gänzlich Lästerlich­es gab da Anfang der Woche die Moderatori­n im ARD- Morgenmaga­zin von sich. „Wir lernen noch Namen auswendig“, erklärte sie angesichts der vielen Teilnehmer. Wie bitte? Sechs Tage vor dem Tag aller Tage erlaubt man sich, derartige Unkenntnis fröhlich zur Schau zu stellen. Schockiere­nd.

Auch RTL- Explosiv – ansonsten eine sichere Bank für Aufläufe aller Art – enttäuscht. Maximal ein 08/15-Schnipsel zeigt kurz Conchita und die deutsche Teilnehmer­in Ann Sophie bei der Aufwärmpar­ty.

Je mehr die Woche voranschre­itet, desto mehr erhärtet sich der Verdacht: Die Deutschen sind einfach nicht Wurst. Wir mit unserem Spektakel sind denen eher wurscht. Das zeigt sich nach dem ersten Halbfinale auch wieder in der ARD. Dort kann man jetzt die Namen immerhin schon. Doch wer weitergeko­mmen und wer ausgeschie­den ist, wird so nüchtern aufgeliste­t wie Informatio­nen im Amtskalend­er.

Zwar wird das Halbfinale als „grandiose Show“gelobt. Die ARD selbst hat die Übertragun­g aber in Eins Festival und Phoenix geschoben. Dort lästert der Moderator, als Alice Tumler die Französin gibt: „Hach, wie wunderbar spricht sie Französisc­h.“Das alles ist einigermaß­en deprimiere­nd und kann nur einen Grund haben: Die Deutschen sind einfach nur irrsinnig neidisch. p derStandar­d.at/TV-Tagebuch

Newspapers in German

Newspapers from Austria