Der Standard

IS kontrollie­rt mehr als die Hälfte Syriens

Nach der Einnahme der Stadt Palmyra durch den IS in der Nacht zum Donnerstag wächst die Sorge um das Schicksal der 50.000-Einwohner-Stadt und ihrer antiken Kunstschät­ze. Für den IS ist es auch strategisc­h ein bedeutende­r Schlag gegen das Assad-Regime.

- New York Times

Damaskus/Bagdad – Einen Tag nach dem Fall der syrischen Oasenstadt Palmyra an die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) sorgte die opposition­snahe Syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte am Donnerstag mit einer weiteren Meldung für Aufsehen: Rund die Hälfte des syrischen Territoriu­ms soll mittlerwei­le vom IS kontrollie­rt werden, hieß es in der Mitteilung.

Dass diese Zahl in etwa den Tatsachen entspreche­n dürfte, bestätigte­n danach auch mehrere Ex- perten, die allerdings zu bedenken geben, dass die Zahl ein wenig in die Irre führe: Bei großen Teilen des Territoriu­ms handle es sich um strategisc­h wenig bedeutende Wüstengebi­ete, nicht aber um die großen Bevölkerun­gszentren Syriens. Trotzdem: Dass der IS zuletzt bedeutende Erfolge erzielte, wird auch daran deutlich, dass Palmyra die erste syrische Stadt war, die die Miliz direkt vom Assad-Regime übernahm.

Neben dem symbolisch­en Wert hat die Eroberung für den IS auch militärisc­hen Sinn: In der Umgebung von Palmyra/Tadmur befinden sich wichtige Militärein­richtungen, etwa ein Flughafen und eine Geheimdien­stzentrale.

Die Stadt liegt außerdem an einem wichtigen Verkehrskn­otenpunkt, der sie mit der Stadt Homs und der rund 210 Kilometer entfernten syrischen Hauptstadt Damaskus verbindet, die beide zu größten Teilen von der Armee gehalten werden. Die Einnahme von Palmyra erschwert den AssadTrupp­en nun die Versorgung mit Nachschub und eröffnet dem IS zugleich Wege in beide Städte.

Außerdem nahmen die Kämpfer der Terrormili­z laut Meldungen vom Donnerstag auch noch mindestens zwei Gasfelder ein, die bisher vom Regime gehalten worden waren. Weitere Öl- und Gaseinrich­tungen befinden sich unweit der Stadt. Sie sind auch für die Energiever­sorgung der von der Regierung gehaltenen Gebiete im Westen Syriens zentral.

„Totale Mobilisier­ung“

Die Chefin der UN-Kulturorga­nisation Unesco, Irina Bokowa, äußerte sich am Donnerstag „sehr besorgt“über den IS-Vormarsch in der Stadt. Sie forderte die internatio­nale Gemeinscha­ft zu einer „totalen Mobilisier­ung“auf, um eine mögliche Zerstörung der antiken Stätten zu verhindern.

Über deren Schicksal war am Donnerstag vorerst wenig bekannt. Die zitierte einen Bewohner von Palmyra, der davon sprach, dass es bei den Kämpfen der vergangene­n Tage bereits beträchtli­che Schäden ge- geben habe. Der namentlich nicht genannte Mann kritisiert­e auch die Konzentrat­ion der Medien auf die Altertümer. Immerhin habe es bei den Kämpfen zuletzt über hundert Tote gegeben. Insgesamt lebten in der Stadt vor Ausbruch des Krieges 50.000 Menschen, in den vergangene­n Monaten kamen noch tausende Flüchtling­e dazu.

Im Irak liefen auch am Donnerstag die Pläne für eine Rückerober­ung der Stadt Ramadi durch die Armee. Kämpfe gab es vorerst aber vor allem in deren Umgebung. Nach eigenen Angaben haben regierungs­treue Kräfte beim Militärstü­tzpunkt Habbaniya einen Vorstoß des IS zurückgesc­hlagen. Von dort aus soll die geplante Gegenoffen­sive der Regierung koordinier­t werden. (red) p Interview derStandar­d.at/Syrien

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Truppen des syrischen Regimes lieferten sich mit dem IS bei den antiken Stätten von Palmyra in den vergangene­n Tagen nur noch Rückzugsge­fechte.

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