EU bei Ostpartnerschaften kräftig auf der Bremse
Keine Visafreiheit für die Ukraine und Georgien, keine Rede vom EU-Beitritt, aber neue Flexibilität gegenüber den früheren GUS-Staaten. Beim EU-Ostgipfel gilt die Devise: Moskau nicht reizen.
Wie sehr sich die Ambitionen beim Ausbau der Beziehungen zu den sechs ehemaligen Sowjetrepubliken Ukraine, Moldau, Georgien, Armenien, Weißrussland und Aserbaidschan seit Herbst 2013 reduziert haben, ließ sich zu Beginn des EU-Gipfels Donnerstag in Riga an Erklärungen von Rat und EU-Kommission gut ablesen.
Die Perspektive eines EU-Beitritts, auf die vor allem Kiew drängt, stehe „nicht auf der Tagesordnung“, hieß es. Stattdessen ist im Schlussdokument nur vage von „europäischen Bestrebungen“die Rede. Dann wenigstens bald Visafreiheit für die die Ukraine (und Georgien), wie sie Moldau seit vergangenem Jahr genießt? Es sei „ein Missverständnis, dass ein EU-Gipfel etwas bewirken kann“, erklärte der zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn dazu. Die Länder, mit denen es Assoziationsabkommen gibt, hätten bei Korruptionsbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit erst eine Reihe von Bedingungen zu erfüllen. Fast gleichlautend äußerte sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor dem Bundestag, bevor sie nach Riga flog. Fast wichtiger könnte es sein, was sie mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras und dem französischen Präsidenten François Hollande zur Lösung der Krise in Athen am Rande besprechen werde.
Wie unterschiedlich die Erwartungen der Ostpartnerschaftsländer sind, zeigte sich schon an der Gästeliste: Die Präsidenten von Weißrussland und Aserbaidschan reisten erst gar nicht an. Sie begnügen sich vorläufig mit der Teilnahme an der von Russland ins Leben gerufenen euroasiatischen Wirtschaftsunion. Armenien wollen die EU-Staats- und Regierungschefs wenigstens ein „Rahmenabkommen“zur Zusammenarbeit anbieten. Von Zollunion und Assoziation als Ziel, wie man in Vilnius noch vorgab, ist keine Rede mehr, „Flexibilität“das neue Zauberwort in Riga.
Dazwischen liegen 16 Monate Bürgerkrieg in der Ukraine mit russischer Einwirkung – eine Folge der Weigerung des früheren Präsidenten Wiktor Janukowitsch, das EU-Abkommen zu unterschreiben, auf die der Maidan-Aufstand folgte. Der zweitägige Gipfel sei nach der Konfrontation mit Russland und den Wirt- schaftssanktionen Ausdruck der Ernüchterung, erklärte ein Diplomat. Hatte man in Vilnius auf einen Aufschwung für die Ukraine gehofft, so ist nun das Gegenteil eingetreten. Die Union feiert es schon als Erfolg, wenn sie zwei Milliarden Euro an zusätzlichen EU-Hilfen für ukrainische Kleinund Mittelbetriebe ankündigt.
Ansonsten hofft man, dass das im Februar in Minsk vereinbarte zweite Friedensabkommen bis Jahresende doch noch umgesetzt wird. Um das nicht zu gefährden, sollte der russische Präsident Wladimir Putin nicht gereizt werden.
Man werde sich, was die Annexion der Krim durch Moskau und die Sanktionen betrifft, auf einen langen eingefrorenen Konflikt einstellen müssen, sagte ein Außenminister zur Lage. Mit Putin müsse man wohl oder übel einen Modus der Koexistenz finden, es gebe weltpolitisch viele Themen, bei denen man auf seine Kooperation bauen müsse.
Konflikt um Raketenabwehr
Für die Regierung in Kiew ist aber die „atomare Bedrohung durch Russland eine Realität“. Der nationale Sicherheitsrat brachte die Ukraine als Standort für ein Raketenabwehrschild der USA bzw. der Nato ins Gespräch. Ähnliche Pläne für Tschechien und Polen als Antwort auf Bedrohungen aus dem Iran waren verworfen worden. Russland sieht das als Bedrohung seiner Sicherheit, Außenminister Sergej Lawrow wies die Idee als „heiße Luft und kontraproduktiv“zurück.