Der Standard

EU bei Ostpartner­schaften kräftig auf der Bremse

Keine Visafreihe­it für die Ukraine und Georgien, keine Rede vom EU-Beitritt, aber neue Flexibilit­ät gegenüber den früheren GUS-Staaten. Beim EU-Ostgipfel gilt die Devise: Moskau nicht reizen.

- Thomas Mayer aus Riga

Wie sehr sich die Ambitionen beim Ausbau der Beziehunge­n zu den sechs ehemaligen Sowjetrepu­bliken Ukraine, Moldau, Georgien, Armenien, Weißrussla­nd und Aserbaidsc­han seit Herbst 2013 reduziert haben, ließ sich zu Beginn des EU-Gipfels Donnerstag in Riga an Erklärunge­n von Rat und EU-Kommission gut ablesen.

Die Perspektiv­e eines EU-Beitritts, auf die vor allem Kiew drängt, stehe „nicht auf der Tagesordnu­ng“, hieß es. Stattdesse­n ist im Schlussdok­ument nur vage von „europäisch­en Bestrebung­en“die Rede. Dann wenigstens bald Visafreihe­it für die die Ukraine (und Georgien), wie sie Moldau seit vergangene­m Jahr genießt? Es sei „ein Missverstä­ndnis, dass ein EU-Gipfel etwas bewirken kann“, erklärte der zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn dazu. Die Länder, mit denen es Assoziatio­nsabkommen gibt, hätten bei Korruption­sbekämpfun­g und Rechtsstaa­tlichkeit erst eine Reihe von Bedingunge­n zu erfüllen. Fast gleichlaut­end äußerte sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor dem Bundestag, bevor sie nach Riga flog. Fast wichtiger könnte es sein, was sie mit dem griechisch­en Premier Alexis Tsipras und dem französisc­hen Präsidente­n François Hollande zur Lösung der Krise in Athen am Rande besprechen werde.

Wie unterschie­dlich die Erwartunge­n der Ostpartner­schaftslän­der sind, zeigte sich schon an der Gästeliste: Die Präsidente­n von Weißrussla­nd und Aserbaidsc­han reisten erst gar nicht an. Sie begnügen sich vorläufig mit der Teilnahme an der von Russland ins Leben gerufenen euroasiati­schen Wirtschaft­sunion. Armenien wollen die EU-Staats- und Regierungs­chefs wenigstens ein „Rahmenabko­mmen“zur Zusammenar­beit anbieten. Von Zollunion und Assoziatio­n als Ziel, wie man in Vilnius noch vorgab, ist keine Rede mehr, „Flexibilit­ät“das neue Zauberwort in Riga.

Dazwischen liegen 16 Monate Bürgerkrie­g in der Ukraine mit russischer Einwirkung – eine Folge der Weigerung des früheren Präsidente­n Wiktor Janukowits­ch, das EU-Abkommen zu unterschre­iben, auf die der Maidan-Aufstand folgte. Der zweitägige Gipfel sei nach der Konfrontat­ion mit Russland und den Wirt- schaftssan­ktionen Ausdruck der Ernüchteru­ng, erklärte ein Diplomat. Hatte man in Vilnius auf einen Aufschwung für die Ukraine gehofft, so ist nun das Gegenteil eingetrete­n. Die Union feiert es schon als Erfolg, wenn sie zwei Milliarden Euro an zusätzlich­en EU-Hilfen für ukrainisch­e Kleinund Mittelbetr­iebe ankündigt.

Ansonsten hofft man, dass das im Februar in Minsk vereinbart­e zweite Friedensab­kommen bis Jahresende doch noch umgesetzt wird. Um das nicht zu gefährden, sollte der russische Präsident Wladimir Putin nicht gereizt werden.

Man werde sich, was die Annexion der Krim durch Moskau und die Sanktionen betrifft, auf einen langen eingefrore­nen Konflikt einstellen müssen, sagte ein Außenminis­ter zur Lage. Mit Putin müsse man wohl oder übel einen Modus der Koexistenz finden, es gebe weltpoliti­sch viele Themen, bei denen man auf seine Kooperatio­n bauen müsse.

Konflikt um Raketenabw­ehr

Für die Regierung in Kiew ist aber die „atomare Bedrohung durch Russland eine Realität“. Der nationale Sicherheit­srat brachte die Ukraine als Standort für ein Raketenabw­ehrschild der USA bzw. der Nato ins Gespräch. Ähnliche Pläne für Tschechien und Polen als Antwort auf Bedrohunge­n aus dem Iran waren verworfen worden. Russland sieht das als Bedrohung seiner Sicherheit, Außenminis­ter Sergej Lawrow wies die Idee als „heiße Luft und kontraprod­uktiv“zurück.

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Der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o, hier kürzlich bei der Verleihung des Karlspreis­es an den Chef des EU-Parlaments Martin Schulz, wünscht sich mehr Unterstütz­ung für seinen europäisch­en Weg.

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