Der Standard

Tod eines Briten wird zum Mysterium

2003 starb der 22-jährige Jeremiah Duggan in Wiesbaden, die Behörden gingen von Suizid aus. Eine neue Untersuchu­ng legt nun den Schluss nahe, dass der Autounfall gestellt war. Duggans Mutter vermutet, dass ihr Sohn von einer Sekte ermordet wurde.

- Jochen Wittmann aus London

Im März 2003 kam der Brite Jeremiah Duggan im deutschen Wiesbaden ums Leben. Der 22-jährige Londoner mit jüdischen Wurzeln soll, wie Polizei und Staatsanwa­ltschaft befanden, auf die Bundesstra­ße B455 gelaufen sein und sich vor ein Auto geworfen haben. Seine Mutter Erica Duggan hat an die Version vom „Suizid durch Verkehrsun­fall“nie geglaubt. Sie hat Nachforsch­ungen anstellen lassen weitere Ermittlung­en erzwungen. Gebracht hat dies aber nicht viel. Der Hauptkommi­ssar, der 2003 den Fall bearbeitet­e, bekam ihn auch 2012 wieder zugewiesen.

Drei Jahre später soll eine Untersuchu­ng in Großbritan­nien neues Licht auf diesen Fall werfen. Im Königreich ist bei einem ungeklärte­n Todesfall vorgeschri­eben, dass ein „Coroner“, ein Untersuchu­ngsbeamter mit Richtersta­tus, eingesetzt wird, um die Todesursac­he festzustel­len. Am Dienstag begann in Barnet in Nordlondon die Untersuchu­ng, die zumindest eines zeigen dürfte: dass die Lesart der deutschen Behörden nicht stimmen kann.

Nach deren Auffassung wurde Jeremiah Duggan von einem Auto erfasst, in die Luft geworfen und anschließe­nd von einem Wagen überrollt. Zu Beginn der Untersuchu­ng nahm ein forensisch­er Sachverstä­ndiger Stellung. Paul Canning hatte sich 42 Fotos vom Unfallort und den beiden Fahrzeugen genauer angesehen. Dabei konnte er „nicht die geringste Spur von Blut, Gewebe oder Kleidung“auf den Autos und der Fahrbahn entdecken, was bei einer Kollision mit hoher Geschwindi­gkeit aber der Fall sein sollte.

Sowohl an der Kleidung und an den Schuhsohle­n Duggans sowie an beiden Autos stellte Canning Sandspuren fest, allerdings nicht auf dem Asphalt der Straße. Er kommt daher zu dem Schluss: An der betreffend­en Stelle kann es zu keinem Unfall gekommen sein. Der Sand legt stattdesse­n nahe, dass Duggan und die Fahrzeuge gemeinsam an einem dritten Ort gewesen waren. Auf den Punkt gebracht: Seiner Auffassung nach wurde der Unfall gestellt. Ein weiterer forensisch­er Experte bestätigte am Mittwoch diese Einschätzu­ng. „Es hat nicht lange gebraucht, um zu sehen, dass dies nicht ein Unfall-, sondern ein Tatort war“, sagte Alan Bayle.

Mutter verdächtig­t Sekte

Sollte es stimmen, dass der Unfall fingiert wurde, bekommt auch jene Version mehr Glaubwürdi­gkeit, die Erica Duggan für am wahrschein­lichsten hält: dass hinter dem Tod ihres Sohnes die LaRouche-Organisati­on steckt. Diese von der deutschen Regierung als „Politsekte“eingestuft­e Bewegung tritt unter den Decknamen „Bürgerrech­tsbewegung Solidaritä­t“, „Schiller-Institut“oder „Europäisch­e Arbeiterpa­rtei“in Erscheinun­g, hängt Verschwöru­ngstheorie­n an und gilt als notorisch antisemiti­sch. In Wiesbaden befindet sich ihr europäisch­es Hauptquart­ier.

Jeremiah Duggan war im März 2003 auf einer Veranstalt­ung des dortigen Schiller-Instituts und outete sich als Jude – offenbar unter konkreter Gefährdung von Leib und Leben. Am 27. März rief er von Wiesbaden aus seine Mutter an: Er sei in großen Schwierigk­eiten, sie solle bitte sofort kommen. Eine Dreivierte­lstunde später war er tot. Erica Duggan vermutet, dass Jeremiah von Mitglieder­n der LaRouche-Organisati­on in den Tod gejagt, wenn nicht sogar ermordet wurde. LaRouche, sagte sie am Mittwoch vor Gericht aus, „hat meinen Sohn zerstört.“

Dieser Fall ist in Großbritan­nien zu einer „cause célèbre“innerhalb der jüdischen Gemeinde geworden. Der Präsident des „Board of Deputies of Britisch Jews“bat in einem Brief an die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, „dass auf die Anliegen der Duggans endlich angemessen eingegange­n werden solle“. In einem Antwortsch­reiben verwies man auf die Zuständigk­eit der hessischen Behörden.

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JeremiahuD­ugganukamu­2003uimude­utschenuWi­esbadenuum­su Leben.uDieugenau­enuUmständ­eusinduimm­erunochuum­stritten.

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