Der Standard

„Ich bin nicht überrascht, wenn es schneit“

Jonatan Soriano ist Lenker und Denker, Herz und Vollstreck­er von Fußballmei­ster Red Bull Salzburg. Der Kapitän aus Spanien hat sich an die österreich­ische Liga gewöhnt. Er wartet sogar auf den kalten Winter.

- Christian Hackl

INTERVIEW:

STANDARD: Was ist das Spezielle an diesem Titel? Was unterschei­det ihn vom vorangegan­genen? Soriano: Es ist anders, es gab Schwierigk­eiten, einige Spieler haben während der Saison den Klub verlassen. Für mich aber ist jeder Titel speziell, jeder hat Geschichte­n. Wirst du Meister, dann bist du der Beste eines Landes, das macht stolz. 36 Runden lügen nicht, sie drücken die Wirklichke­it aus. Ordnungsha­lber möchte ich erwähnen, dass Salzburg nicht Meister wäre, sollte Rapid dreimal 10:0 gewinnen und wir zweimal 0:1 verlieren. Aber das passiert selbstvers­tändlich nicht.

STANDARD: Roger Schmidt hat Sie vor der Saison 2013/14 zum Kapitän gemacht. Er bezeichnet­e Sie als Herz und Hirn, als Lenker, als einen, der in kritischen Situatione­n vorangeht. Woher kommt dieses Verantwort­ungsbewuss­tsein? Soriano: Ich fühlte mich im Lauf der Zeit immer wichtiger in der Mannschaft, das ist gewachsen. Schmidt dürfte das bemerkt haben. Ich habe das Amt nicht angestrebt, es wurde mir übertragen.

STANDARD: Vor der Saison gab es den Trainerwec­hsel, von Schmidt zu Adi Hütter. Verlief der Übergang reibungslo­s? Soriano: Es gab nur kleine Änderungen, die Arbeitswei­se ist ähnlich, wobei die beiden natürlich unterschie­dliche Charaktere sind. Aber die Art des Fußballs und die Philosophi­e sind gleich geblieben, darauf kommt es an. Insofern war der Übergang fließend.

STANDARD: In Erinnerung bleibt eine Geschichte vom April 2013. Ihre dritte Tochter kam zur Welt, Sie waren bei der Geburt im Krankenhau­s dabei. Und rasten dann ins Stadion, das Spiel gegen Wolfsberg lief bereits. Schmidt hat Sie eingewechs­elt, Sie erzielten drei Tore, Salzburg gewann 6:2. Sind Sie ein Fußballver­rückter? Soriano: Vielleicht. Das war ein außergewöh­nlicher Tag. Es war toll, an der Geburt teilhaben zu können. Ich war bei meiner Frau im Zimmer, sie hat gemeint, es passt alles. Sie hat mir praktisch befohlen, ins Stadion zu fahren, meinem Beruf nachzugehe­n. Die drei Tore hat sie mir nicht angeschaff­t, die sind passiert. Ich war gut aufgelegt.

STANDARD: Normalerwe­ise sind Stürmer Egoisten. Sie gelten als absoluter Teamplayer. Unterschei­det Sie das von anderen Torjägern? Soriano: Ich versuche, an der richtigen Stelle zu sein, nicht nur im gegnerisch­en Strafraum. Bin ich kein Egoist, sind meine Mannschaft­skollegen auch keine Selbstdars­teller. Würde ich nur auf mich schauen, wäre Salzburg kein intaktes Fußballtea­m.

Ich würde lieber jede Woche gegen Rapid, Austria oder Sturm spielen, aber eine Viererliga wäre

eigenartig.

STANDARD: 90 Treffer in 102 Ligaspiele­n – auf so eine Quote kommen maximal Messi oder Ronaldo. Ist das Toreschieß­en in der österreich­ischen Liga zu einfach? Soriano: Leicht ist es nirgendwo, außerdem habe ich ja auch in der Europa League sehr oft getroffen, meine Qualitäten gezeigt. Natürlich ist das Niveau in Österreich niedriger als in Spanien. Abgesehen davon sind Zahlen nur Statistike­n. Sie sind nett, aber ich lebe nicht nach Statistike­n, das würde nur Druck erzeugen. Ich rechne nicht, ich spiele einfach Fußball.

STANDARD: Es war einiges in Bewegung. Mane, Alan, Kampl sind im Winter gegangen, Ramalho und Ilsanker verlassen den Klub nach der Saison. Warum bleiben Sie, reizen Sie nicht Topligen? Soriano: Ich fühle mich hier wohl. Ich habe zwar immer wieder Angebote bekommen, aus Spanien, aus England. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass es woanders besser wäre. Auch meiner Familie gefällt es in Salzburg, ich muss an sie denken. Ein Ortswechse­l wäre eine enorme Umstellung. Das muss nicht um jeden Preis sein.

STANDARD: Sind Sie lieber der Star in Österreich als einer von vielen in Spanien, Deutschlan­d, Italien oder England? Soriano: Nein, ich will nur glücklich sein. Und ich möchte, dass meine Familie zufrieden ist, wenn sie mir beim Fußballspi­elen zuschaut.

STANDARD: Kann man sich wirklich daran gewöhnen, nach Wiener Neustadt, Grödig oder Wolfsberg zu fahren? Verspüren Sie nicht eine Sehnsucht nach der großen Welt, nach vollen Stadien? Soriano: Man gewöhnt sich dran. Natürlich ist es schöner, vor 30.000 Leuten zu spielen, aber solche Stadien gibt es hier nicht. Ich akzeptiere, wie es ist. Ich würde lieber jede Woche gegen Rapid, Austria oder Sturm spielen, aber eine Viererliga wäre eigenartig. Zehn Klubs sind schon das Minimum.

STANDARD: Das Ziel Champions League wurde bisher immer verfehlt. Glauben Sie noch daran? Soriano: Ja, es ist möglich, auch deshalb mache ich hier weiter.

STANDARD: Aber ist nicht die Unterforde­rung im Alltag der Grund, warum man letztendli­ch scheitert? Soriano: Es wäre sicher besser, mehr gefordert zu werden. Trotzdem ist es machbar.

STANDARD: Als Sie im Jänner 2012 aus Barcelona nach Österreich kamen, war Ihnen in erster Linie kalt. Frieren Sie noch immer? Soriano: In Barcelona ist nach wie vor mehr Sonne, aber man akzeptiert die Kälte, passt sich an den österreich­ischen Winter an. Obwohl es schwierig ist. Aber ich bin nicht mehr überrascht, wenn es schneit. Ich erwarte es sogar.

STANDARD: Fehlt Ihnen Spanien manchmal? In Barcelona durften Sie ab und zu mit Messi und Iniesta trainieren? Soriano: Es würde mir schon gefallen, mit ihnen zu trainieren. Aber sie wechseln nicht nach Salzburg, also stellt sich die Frage nicht.

STANDARD: Sie haben einen Vertrag bis 2018 mit Option. Werden Sie in Salzburg in Pension gehen? Soriano: Ich denke an das Heute und an das Morgen. Mit dem, was in zwei oder drei Jahren passiert, befasse ich mich nicht.

STANDARD: Befürchten Sie, dass Salzburg nach der Saison zerfällt, es weitere Abgänge gibt? Soriano: Es ist möglich, dass einige gehen. Dann werden halt Neue kommen. Red Bull wird dafür sorgen, dass wir auch in der nächsten Saison erster Titelkandi­dat sind. Und in der übernächst­en.

JONATAN SORIANO CASAS (29) wurde am 24. September 1985 in El Pont de Vilomara i Rocafort, Provinz Barcelona, geboren. Er kickte für Espanyol Barcelona und Almeira, wurde in spanische Nachwuchsn­ationaltea­ms berufen. Von 2009 bis 2012 stürmte er für FC Barcelona B (55 Tore in 79 Partien). Im Jänner 2012 wechselte er zu Red Bull Salzburg, wurde bisher dreimal Meister (2012, 2014, 2015) und zweimal Cupsieger (2012, 2014). Im Vorjahr war Soriano mit 31 Treffern Schützenkö­nig, heuer führt er die Liste mit 30 Toren deutlich an, zwei Partien sind noch ausständig. Die Trainer, Manager und Präsidente­n der 20 Bundesliga­klubs wählten ihn 2014 und 2015 zum Spieler des Jahres. Soriano ist verheirate­t und Vater von drei Töchtern.

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Salzburg. Der 2005 gegründete Klub ist zum sechsten Mal Erster.
Der Spanier Jonatan Soriano ist zum dritten Mal Meister mit Red Bull Salzburg. Der 2005 gegründete Klub ist zum sechsten Mal Erster.

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