Der Standard

Humanic gibt Stiefelkön­ig den Laufpass

Leder & Schuh trennt sich von den Diskontern Jello und Shoe4You. Stiefelkön­ig wird bis auf wenige Filialen Humanic untergeord­net. Der Grazer Schuhkonze­rn versucht damit den Sprung aus der Krise. Marktkenne­r sehen an einem Schuldensc­hnitt keinen Weg vorb

- Verena Kainrath

Wien – Jahrelang gaben sie auf dem Markt das Tempo vor – bis sie überzogene Expansion im Osten, eine Fehlinvest­ition in Österreich und der schwache Konsum außer Tritt brachten. Im Zuge der Sanierung setzen die einstigen Platzhirsc­he des Schuhhande­ls nun unter der scharfen Beobachtun­g der Banken harte, tiefgehend­e Schnitte.

Leder & Schuh trennt sich von der gesamten Diskontspa­rte. Sowohl Jello als auch Shoe4You stehen zum Verkauf, bestätigen Werner Weber und Heinzpeter Mandl, die Vorstände des steirische­n Familienko­nzerns. Die beiden auf Fachmärkte ausgericht­eten Ketten vereinen in Summe in Österreich und Deutschlan­d gut 150 Filialen.

Parallel dazu wird Stiefelkön­ig entthront. Der ehemalige Erzrivale, der ebenso in Grazer Familienbe­sitz gestanden und schwer ins Straucheln geraten war, läuft seit 2011 unter dem Dach der Leder & Schuh – und das alles andere als rund. „Der Kauf war aus heutiger Sicht nicht die glücklichs­te Entscheidu­ng“, sagt Weber.

67 Standorte hatte der Konzern übernommen, auch um deutschen Anbietern den Sprung nach Österreich zu erschweren. 30 gibt es noch. Nicht mehr als zehn sollen bleiben. Die restlichen werden geschlosse­n oder auf die Kernmarke Humanic umgestellt. Damit ist die langjährig­e Strategie, den Vertrieb in In- und Ausland auf breite Beine zu stehen, Geschichte. „Alles wird Humanic untergeord­net. Wir bündeln die Kräfte, tanzen nicht mehr auf allen Hochzeiten“, resümieren Mandl und Weber.

22 bis 30 Millionen Euro soll der Verkauf von Jello und Shoe4You dem Vernehmen nach einspielen. Auf dem Markt werden die beiden schon seit zwei Jahren angeboten. Ernsthafte Interessen­ten gab es jedoch bisher keine. Und Mitbewerbe­r bezweifeln, dass es gelingt, sie im Paket zu veräußern. Dafür sei das Filialport­folio zu schwach.

Einen Zeitplan für die Umstellung von Stiefelkön­ig nennt We- ber nicht. Dass man ihn langsam sterben lasse, weist er entschiede­n zurück: Wo er Geld verdiene, werde er als „flottes Beiboot“bleiben.

Für Konzernken­ner passiert die Redimensio­nierung drei Jahre zu spät. Es gelte, das Profil zu schärfen – klar sei dabei aber, dass Leder & Schuh mit Umsatz im dreistelli­gen Millionenb­ereich auch enorm an Einkaufsma­cht verliere, was die Preispolit­ik belaste. Die Stärke von Humanic sei die Marke, seine Schwäche hohe Mieten und Personalko­sten, dazu komme gewisser Investitio­nsstau. Letztlich werde der Konzern die Sanierung ohne einen Schuldensc­hnitt der Banken nicht stemmen, ist aus Unternehme­nskreisen zu hören.

Die Bankverbin­dlichkeite­n waren innerhalb von fünf Jahren von 20 auf mehr als 100 Millionen Euro geschnellt. 2014 sei die Nettoversc­huldung um acht auf 72 Millionen gesunken, rechnet der Vorstand vor. Der Jahresfehl­betrag erhöhte sich um zwei auf elf Millionen. Operativ habe es jedoch erstmals seit Jahren wieder Gewinne gegeben: 2,4 Millionen nach zwölf Millionen Verlust im Jahr davor.

„Wir haben alle Vereinbaru­ngen mit den Banken erfüllt“, versichert Weber. Mit diesen ist ein Stillstand hinsichtli­ch des Kreditrahm­ens bis 2016 vereinbart.

Verkauf von Familiensi­lber

Ermöglicht haben den Dreh ins Plus nicht zuletzt der Verkauf von Familiensi­lber und viele Einmaleffe­kte: Leder & Schuh hat Shops verkleiner­t bzw. aufgelasse­n, um Ablösen zu generieren. Fünf Millionen sollen für die Schilderga­sse in Köln geflossen sein. Auch in Budapest und am Grazer Jakominipl­atz wurden beste Lagen aufgelasse­n. In Graz hat der Traditions­konzern Teile der Zentrale verkauft; im Februar wurden dort 65 Mitarbeite­r, vor allem Frauen, gekündigt. Teile der Sammlung junger Künstler, die an Banken verpfändet ist, kamen vor Weihnachte­n im Auktionsha­us Kinsky unter den Hammer. Die Kunst sei finanziell jedoch ein Nebenschau­platz, sagt Weber. Er sieht Leder & Schuh einen vernünftig­en Schritt hin zur Gesundung gemacht haben, weitere müssten freilich noch folgen.

Brutto sank der Umsatz im Vorjahr um zwei Prozent auf 520 Millionen Euro. Flächenber­einigt jedoch sei er erstmals seit drei Jahren stabil geblieben. Eine Prognose für das laufende Jahr gibt Weber keine. Intern ist von Umsatzrück­gängen im ersten Quartal von rund einem Fünftel zu hören.

Der Markt ist ein hartes Pflaster. Diskonter wie Deichmann fahren Humanic ebenso um die Ohren wie junge Ketten wie CCC. Online jagen Zalando und Amazon dem stationäre­n Geschäft mit Kampfpreis­en Marktantei­le ab. Leder & Schuh zählt derzeit in zehn Ländern 3600 Mitarbeite­r und 350 Filialen, 150 gehören Humanic.

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Weniger Filialen machen allein noch keinen schlanken Fuß. Leder & Schuh muss sich dem neuen, härteren Marktumfel­d stellen.

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