Der Standard

Moskau wirft Kiew Bankrotter­klärung vor

Russische Regierung taxiert Moskaus Ansprüche an Kiew auf 25 Milliarden Dollar

- André Ballin aus Moskau

„Helft mit Dollars, nicht mit Worten“, hat sich der ukrainisch­e Premier Arseni Jazenjuk an die ausländisc­hen Kreditgebe­r des Landes gewandt. Die ukrainisch­e Führung braucht dringend eine Umschuldun­g, um den Staatsbank­rott abzuwenden. Doch das geplante Manöver, mithilfe eines „Moratorium­s“auf die Auszahlung von Schulden den Druck auf die Gläubiger zu erhöhen, hat einen gewaltigen Wirbel in Moskau entfacht.

Russlands Präsident Wladimir Putin sprach von einer „seltsamen Erklärung“. „Den faktisch bevorstehe­nden Bankrott zu erklären, zeugt von einem nicht sehr hohen Niveau an Verantwort­ung und Profession­alismus, auch wenn das Land von außen gesteuert wird“, erhob der Kremlchef scharfe Vorwürfe gegenüber Kiew. Die Ukraine könne auch vom Interna- tionalen Währungsfo­nds (IWF) keine weiteren Kredite mehr erwarten, wenn es den Default erkläre, fügte er hinzu.

Russland fürchtet – angesichts der politische­n Differenze­n beider Länder wohl nicht ganz ohne Grund –, dass die ukrainisch­e Führung das ihr von der Rada gewährte Schuldenmo­ratorium zielgerich­tet gegen Moskauer Gläubiger zur Anwendung bringt.

Vorsorglic­h hat Moskau schon mal Gegenmaßna­hmen angekündig­t: Sollte Kiew seine nächste Ratenzahlu­ng nicht begleichen, werde es vor ein internatio­nales Gericht gehen, kündigte Finanzmini­ster Anton Siluanow an.

Hohe Außenständ­e

Offiziell belaufen sich die ukrainisch­en Staatsschu­lden gegenüber Russland auf drei Milliarden Dollar, die aus einem Kredit stammen, den Moskau noch Wiktor Janukowits­ch kurz vor dessen Sturz und Flucht eingeräumt hatte. Bis zum 20. Juni müsste Kiew für diesen Kredit 75 Millionen Dollar zurück nach Moskau überweisen.

Doch in Moskau fürchtet man weit höhere Verluste als die Abschreibu­ng der drei Milliarden. Laut Premier Dmitri Medwedew belaufen sich die Schulden gegenüber russischen Unternehme­n auf insgesamt etwa 25 Milliarden Dollar, „wobei ein beträchtli­cher Teil dieser Schulden gegenüber kommerziel­len Banken besteht, bei denen der (russische) Staat Hauptaktio­när ist“. Damit wäre Russland auch der größte Gläubiger der Ukraine, deren Nationalba­nk die Gesamtschu­lden mit 50 Milliarden Dollar – entspricht 70 Prozent des Bruttoinla­ndprodukts (BIP) – angegeben hat.

Die hohe und schnell steigende Verschuldu­ng birgt für die Ukraine das Risiko, dass Russland seine Schulden noch vorzeitig zurückford­ert – laut Vertrag hat Moskau das Recht dazu, wenn die Staatsvers­chuldung der Ukraine auf über 60 Prozent des BIP steigt. Putin deutete diese Möglichkei­t auf der Regierungs­sitzung nicht zufällig an. Der „dezente Hinweis“ist wichtiges Druckmitte­l in den Kreditverh­andlungen mit Kiew.

Russland ist dabei nicht der einzige Gläubiger, der sich vehement gegen eine Teilabschr­eibung der Schulden wehrt: Ein Konsortium unter Führung der Investment­gruppe Franklin Templeton, das auf neun Milliarden Dollar ukrainisch­er Staatsanle­ihen sitzt, hat sich ebenfalls gegen den von Kiew angestrebt­en Teilerlass der Schulden ausgesproc­hen. Die Einigung mit den Gläubigern ist laut IWF Voraussetz­ung für die Vergabe neuer Kredite an die Ukraine.

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Ratenzahlu­ng erfolgt, wollen die Russen zu Gericht gehen.
Wladimir Putin erhob scharfe Vorwürfe gegenüber Kiew: Wenn keine Ratenzahlu­ng erfolgt, wollen die Russen zu Gericht gehen.
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